Anscheinsbeweis: Was ist der Beweis des ersten Anscheins?
Wer schon einmal einen Rechtsstreit geführt hat, kann mit dem Begriff des Anscheinsbeweises konfrontiert worden sein. Worum es sich bei dem Beweis des ersten Anscheins handelt und in welchem Zusammenhang er wichtig wird, soll durch diese Rechtsfrage geklärt werden.
Was ist der Beweis des ersten Anscheins?
Bei dem Beweis des ersten Anscheins (auch prima-facie-Beweis genannt) handelt es sich um eine von den Gerichten entwickelte Beweiserleichterung im Rahmen des Schadenersatzes. Es kommt regelmäßig in den Fällen zur Anwendung, in denen eine bestimmte Ursache oder ein bestimmter Geschehensablauf mit den zulässigen Beweismitteln, etwa einem Zeugen, nicht oder nur äußerst schwer nachgewiesen werden kann. Damit der Geschädigte in einem solchen Fall dennoch seinen Schadenersatz erhält, kann unter bestimmten Voraussetzungen die Beweiserleichterung durch den Beweis des ersten Anscheins greifen.
Danach gilt eine Ursache oder ein Geschehensablauf als bewiesen, wenn ein gewöhnlicher und üblicher Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einem bestimmten Geschehensablauf hinweist. Der Anscheinsbeweis greift jedoch dann nicht, wenn der Gegner wiederum die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs beweisen kann.
Hier einige Beispiele für einen Beweis des ersten Anscheins:
Beschädigtes Transportgut
Steht fest, dass das ungesicherte Transportgut vor dem Transport unbeschädigt war und nach dem Transport über Schäden verfügte, so spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Transportgut während des Transports beschädigt wurde (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13.03.2013, Az. 5 U 342/12).
Auffahrunfall im Straßenverkehr
Fährt ein Autofahrer einem anderen Autofahrer hinten auf, so spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder mit zu geringem Abstand, zu schnell oder unaufmerksam fuhr (Kammergericht Berlin, Hinweisbeschluss vom 20.11.2013, Az. 22 U 72/13).
Filesharing
Werden über einen Internetanschluss Urheberrechtsverletzungen begangen, so spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Anschlussinhaber Täter der Urheberrechtsverletzung ist (Landgericht Köln, Urteil vom 05.06.2013, Az. 28 O 346/12).
Sturz bei Glatteis
Wer innerhalb des streupflichtigen Zeitraums wegen Glatteis stürzt, kann sich auf einen Anscheinsbeweis berufen, wonach die fehlende Bestreuung den Sturz verursachte (Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.10.1983, Az. VI ZR 98/82).