Bei welchen Haustürgeschäften steht einem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu?
Nach § 312g Abs. 1 BGB steht einem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Dies betrifft etwa Fälle, in denen ein Handelsvertreter direkt an der Haustür Waren verkauft oder in denen der Verbraucher Waren über ein Versandhandel bestellt. Doch gilt das Widerrufsrecht uneingeschränkt oder gibt es Ausnahmen?
Bei welchen Haustürgeschäften steht einem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu?
Es gibt Fälle, in denen einem Verbraucher kein Widerrufsrecht zusteht, obwohl der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen oder mittels des Fernabsatzes geschlossen wurde. Geregelt sind diese Fälle in § 312g Abs. 2 BGB.
Nach Kundenspezifikation angefertigte oder auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Waren (Nr. 1)
Beinhaltet der Vertrag die Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind, sondern nach Spezifikationen des Kunden hergestellt wurden oder sind die Waren auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten, gilt das Widerrufsrecht nicht. Dies gilt zum Beispiel für ein über das Internet bestelltes farblich individuell zusammengestelltes Sofa (vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.02.2014, Az. 23 S 111/13 U).
Verderbliche Waren/Waren mit schnell ablaufendem Verfallsdatum (Nr. 2)
Das Widerrufsrecht gilt nicht für einen Vertrag zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde. Die erste Alternative gilt etwa für Früchte oder Milchprodukte, die zweite für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika oder Lebensmittel.
Versiegelte Gesundheits- und Hygieneartikel (Nr. 3)
Für einen Vertrag, der die Lieferung versiegelter Waren beinhaltet, gilt das Widerrufsrecht nicht, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde und eine Rückgabe deswegen aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene ausgeschlossen ist.
Untrennbar vermischte Waren (Nr. 4)
Ist die gelieferte Ware wegen ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt, so ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen. Als Beispiel kann Heizöl genannt werden, dass sich mit dem im Tank noch vorhandenem Heizöl vermischt.
Bestimmte alkoholische Getränke (Nr. 5)
Ein Vertrag zur Lieferung von alkoholischen Getränken, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat, ist vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.
Versiegelte Ton- und Videoaufnahmen und Computersoftware (Nr. 6)
Das Widerrufsrecht findet auf einen Vertrag zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung keine Anwendung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Die Vorschrift dient dem Schutz des Urheberrechts. Denn andernfalls könnte sich der Verbraucher zum Beispiel ein Film auf Blu-ray nach Hause schicken lassen, den Film kopieren, sodann von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen und das Geld zurückverlangen.
Zeitungen, Zeitschriften, Illustrierte (Nr. 7)
Vom Widerrufsrecht ausgeschlossen ist ein Vertrag zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn ein Abonnement-Vertrag vorliegt. Die Vorschrift ist nur auf Druckerzeugnisse und nicht auf Online-Medien anwendbar.
Bestimmte Leistungen, die Preisschwankungen unterliegen (Nr. 8)
Ist Inhalt eines Vertrags die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, gilt das Widerrufsrecht nicht. Die Vorschrift zielt auf Verträge mit spekulativem Charakter ab. Der Vertragspartner soll davor geschützt werden, dass der Verbraucher je nach Marktlage von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, um auf Kosten des Vertragspartners einen Gewinn zu erzielen.
Zu reservierende Dienstleistungen (Nr. 9)
Das Widerrufsrecht umfasst keinen Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken (Bsp.: Beherbergung in Hotels oder Pensionen), Beförderung von Waren (Bsp.: Paketdienstleister oder Umzugsunternehmen), Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken (Bsp.: Catering) sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen (Bsp.: Besuch einer Oper, eines Kinos oder eines Fußballspiels) wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht.
Versteigerungen (Nr. 10)
Keine Anwendung findet das Widerrufsrecht bei öffentlich zugänglichen Versteigerungen. Darunter zählt nicht die Versteigerung bei eBay.
Dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten (Nr. 11)
Bei einem Vertrag, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen, gilt das Widerrufsrecht nicht. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden. Unter die Vorschrift fällt typischerweise die Reparatur eines Wasserrohrbruchs.
Wett- und Lotteriedienstleistungen (Nr. 12)
Ein Vertrag zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen ist vom Widerrufsrecht ausgeschlossen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde.
Notarielle Beurkundung (Nr. 13)
Das Widerrufsrecht findet keine Anwendung auf einen notariell beurkundeten Vertrag. Dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.
Zu beachten ist, dass die Vertragspartner ein Widerrufsrecht für einen der oben genannten Fälle vereinbaren können. Dadurch darf der Verbraucher aber nicht benachteiligt werden (vgl. § 312k Abs. 1 BGB).