Bundestagswahl: Was sind Überhangmandate?
Im Rahmen einer Bundestagswahl hört man immer wieder von sogenannten Überhangmandaten. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dem Begriff schon beschäftigt. Doch was sind eigentlich Überhangmandate und wie wird damit umgegangen?
Was sind Überhangmandate?
Um den Begriff des Überhangmandats zu erklären, muss man zunächst wissen, dass für die Wahl des Deutschen Bundestags jeder deutsche Staatsbürger zwei Stimmen zur Verfügung hat. Mit der sogenannten Erststimme wählt man einen Direktkandidaten innerhalb eines Wahlkreises. Mit der Zweitstimme eine Partei. Mehr zum Thema Erst- und Zweitstimme finden Sie hier: Bundestagswahl: Was bedeutet Erststimme und für was ist die Zweitstimme?
Werden nunmehr durch die Erststimme mehr Kandidaten einer Partei in den Bundestag gewählt als ihr nach den Zweitstimmen eigentlich an Sitzen zusteht, erhält sie Überhangmandate. Ein Beispiel:
Ein Parlament hat 100 Sitze. Das Wahlgebiet ist mit 60 Wahlkreisen unterteilt. Diese 60 Sitze werden durch die Erststimme vergeben. Die restlichen 40 Sitze durch die Zweitstimme. Erhält eine Partei durch die Zweitstimme 40 % der Stimmen, stehen ihr 40 Sitze im Parlament zu. Zugleich gewinnt sie aber alle 60 Wahlkreise. Ihr stehen daher 20 Sitze mehr zu als ihr durch das Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen. Diese zusätzlichen Sitze stellen den „Überhang“ dar.
Wie kann mit Überhangmandaten umgegangen werden?
Es bestehen nun mehrere Möglichkeiten, wie mit solchen Überhangmandaten umgegangen werden.
Keine Zuteilung der Überhangmandate
Einer der einfachsten Lösungen ist es, die Überhangmandate nicht zuzuteilen.
Der Vorteil daran wäre, dass sich die Größe des Parlaments und der Stimmenanteil unter den Parteien nicht verändern.
Der Nachteil wäre hingegen, dass es zu einem vollständigen Verlust von gewählten Kandidaten kommt. Ebenso schwierig ist die Beantwortung der Frage, welcher der Direktkandidaten auf seinen Sitz verzichten muss (Losentscheidung? Mehrheit der Stimmen?).
Abschaffung der Zweitstimme
Ebenso einfach ist es, die Zweitstimme abzuschaffen. Das heißt, nur derjenige erhält einen Sitz im Parlament, wer die Mehrheit der Stimmen in einem Wahlkreis erhalten hat.
Der Vorteil wäre wieder, dass die Größe des Parlaments nicht angetastet wird. Es gibt genau so viele Sitze, wie Wahlkreise.
Der Nachteil wäre, dass größere Parteien bevorzugt werden. Kleinere Parteien hätten demgegenüber kaum eine Chance einen Sitz zu ergattern.
Zusätzliche Vergabe der Überhangmandate
Zudem kommt eine Vergrößerung des Parlaments, um die Anzahl der Überhangmandate in Betracht.
Dies wäre ebenfalls eine einfache Lösung und damit von Vorteil.
Der Nachteil wäre jedoch, die Vergrößerung des Parlaments sowie die Verzerrung der Stimmenanteile unter den Parteien.
Vergrößerung des Parlaments durch Vergabe von Ausgleichsmandaten
Eine weitere Lösung ist es, das Parlament so weit zu vergrößern bis die Überhangmandate ausgeglichen sind, bis also das Größenverhältnis der Parteien dem Zweitstimmenergebnis entspricht. In diesem Verfahren werden sogenannte Ausgleichsmandate vergeben.
Der Vorteil wäre, dass der Stimmenanteil unter den Parteien nicht verzerrt wird, sondern gleich bleibt.
Als Nachteil wäre wieder die Vergrößerung des Parlaments anzuführen.
Wegnahme der Sitze von nicht überhängenden Parteien
Darüber hinaus ist es möglich, die zusätzlich benötigten Überhangmandate von den Sitzen der nicht überhängenden Parteien abzuziehen.
Der Vorteil wäre wiederum, dass die Größe des Parlaments gleich bleibt.
Von erheblichem Nachteil wäre indes, dass es zu einer starken Verzerrung der Stimmenanteile unter den Parteien kommen würde.
Wie wird bei der Bundestagswahl mit Überhangmandaten umgegangen?
Ist es bei Wahlen zum Deutschen Bundestag zu Überhangmandaten gekommen, wurde das Parlament lange Zeit um die Zahl der Überhangmandate vergrößert. Diese Praxis hat das Bundesverfassungsgericht jedoch für verfassungswidrig erklärt, da es dadurch zu einem sogenannten negativen Stimmengewicht kommen kann (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 25.07.2012, Az. 2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11 und 2 BvE 9/11 und Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 03.07.2008, Az. 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07). Dies bedeutete, dass eine Partei, die viele Überhangmandate erlangte, umso mehr Sitze im Parlament bekam, desto weniger Zweitstimmen sie erhielt. Umgekehrt erlangte eine Partei die viele Zweitstimmen erhielt weniger Sitze, da keine Überhangmandate verteilt wurden.
Seit dem Urteilsspruch werden die Überhangsmandate nicht mehr zusätzlich vergeben. Vielmehr kommt es zur Vergabe von Ausgleichsmandaten. Das heißt, das Parlament wird soweit vergrößert bis die Überhangmandate ausgeglichen sind.