Kann eine Scheidung trotz Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen verhindert werden?
Es kann vorkommen, dass ein Ehegatte mit den Scheidungsplänen des anderen Ehegatten nicht einverstanden ist. Besteht in diesem Fall die Möglichkeit die Scheidung zu verhindern?
Kann eine Scheidung trotz Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen verhindert werden?
Eine Scheidung ist bei Vorliegen sämtlicher Scheidungsvoraussetzungen von einem Ehegatten grundsätzlich nicht zu verhindern. Durch die Weigerung der Scheidung zuzustimmen, kann der scheidungsunwillige Ehegatte lediglich die Scheidung hinauszögern. Denn reicht es für eine einvernehmliche Scheidung ein Jahr getrennt zu leben, benötigt man bei einer nicht einvernehmlichen Scheidung drei Trennungsjahre. Nach Ablauf dieser drei Jahre kann der scheidungswillige Ehegatte aber trotz Widerstands des anderen Ehegatten die Scheidung durchziehen.
Kann eine Ehescheidung in besonderen Härtefällen ausgeschlossen sein?
Gemäß § 1568 BGB kann im Ausnahmefall eine Ehe trotz Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen nicht geschieden werden. Nach dieser Vorschrift kann eine Scheidung in zwei Härtefällen ausgeschlossen sein.
entgegenstehende Kindesinteressen
Eine Scheidung kann ausgeschlossen sein, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist. Erforderlich ist eine wesentliche Verschlechterung der Kindesverhältnisse durch die Scheidung, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls führt (Bsp.: Kind droht im Falle der Scheidung mit Selbstmord – Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 17.12.1985, Az. 2 UF 209/83 R + U). Nicht ausreichend sind daher alle mit der Trennung verbundenen nachteiligen Folgen für die Kinder, wie etwa Probleme mit dem Unterhalt oder dem Umgangsrecht.
Härte für den anderen Ehegatten
Die Aufrechterhaltung der Ehe ist auch dann ausnahmsweise geboten, wenn die Scheidung für den anderen Ehegatten aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine schwere Härte darstellen würde. Nicht ausreichend sind die üblichen mit der Trennung oder Scheidung verbundenen Nachteile, wie etwa die psychische Belastung, die Verschlechterung der Lebenssituation oder der Verlust der Ehewohnung.
Hier einige Beispiele in denen ein Härtefall bejaht wurde:
o Suizidgefahr des minderjährigen gemeinsamen Kindes (Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 17.12.1985, Az. 2 UF 209/83)
o Suizidgefahr des scheidungsunwilligen Ehegatten (Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.12.2005, Az. 15 UF 85/05)
o 85-jähriger Ehemann ist in seinen letzten Lebensjahren sowie teilweise gelähmt und pflegebedürftig (Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 14.05.2002, Az. 18 UF 519/01)
o im Pflegeheim befindliche Ehefrau verliert durch Scheidung Aufenthaltsrecht in Deutschland (Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Beschluss vom 27.03.2014, Az. 177 F 10637/13)
Zu beachten ist, dass der Ausschluss der Scheidung aufgrund eines Härtefalls nicht auf Dauer gilt. Die Ehe soll vielmehr nur vorübergehend aufrechterhalten werden, bis der Härtefall wegfällt. Dem Betroffenen soll die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die veränderte Lebenssituation nach der Ehe einzustellen.
Über den Autor des Artikels:
Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin. Rechtsanwalt Binder ist deutschlandweit im Scheidungsrecht tätig und betreibt mit seiner Kanzlei die Scheidungsinfoseite scheidung.services.