Seit wann ist Homosexualität in Deutschland nicht mehr strafbar?Vor (genau) 30 Jahren endete die Strafbarkeit von Homosexualität in Deutschland - Ein langer Weg und kein Ruhmesblatt des Bundesverfassungsgerichts
Lange stand die männliche Homosexualität in Deutschland unter Strafe, während die weibliche Homosexualität straffrei war. Für das Bundesverfassungsgericht war dieser Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz kein Problem. Erst einige Jahre nach der Wiedervereinigung hatte der Gesetzgeber ein Einsehen und hob die Strafbarkeit der männlichen Sexualität endgültig auf.
Trotz immer größerer Toleranz und Akzeptanz in der Gesellschaft, ist das Thema Homosexualität noch immer aktuell. Dies hat z.B. das Outing des ehemaligen deutschen Nationalspielers Thomas Hitzlsperger im Jahr 2014 gezeigt. Und auch zehn Jahre später ist es nicht wirklich besser geworden. Ein am 17.05.2024 geplantes Gruppen-Coming-out im Fußball ist leider gescheitert. Immer wieder berichten schwule Fußballer aus dem Amateurbereich oder anderen Ländern über die großen Hürden, die weiterhin bestehen.
Es gibt also trotz vieler Solidaritätsbekundungen seitens von Politikern und Sportlern nach wie vor Bereiche unserer Gesellschaft, in denen es Vorbehalte gegen homosexuelle Menschen gibt. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass die Gleichstellung Homosexueller heutzutage weitaus fortgeschrittener ist, als beispielsweise in den 1960er Jahren. In dieser Zeit stand etwa Homosexualität noch unter Strafe. Doch seit wann ist das nicht mehr der Fall?
Seit wann ist Homosexualität in Deutschland nicht mehr strafbar?
Bis zum 11. Juni 1994 wird allein die Vornahme von homosexuellen Handlungen unter Männern nicht mehr bestraft. Bis zu diesem Zeitpunkt stand ein solches Verhalten gemäß § 175 StGB unter Strafe. Die Vorschrift galt über die Zeit jedoch nicht unverändert. Vielmehr unterlag sie auch dem gesellschaftlichen Wandel. So galt in den 50er Jahren die Strafbarkeit noch ohne Vorbehalt, während sich ein homosexueller Mann in den 90er Jahren nur noch dann strafbar machte, wenn er selbst über 18 Jahre alt war und mit einem Mann unter 18 Jahren sexuelle Handlungen vornahm oder vornehmen ließ.
Von 1935 bis 1969 lautete der § 175 StGB:
(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
In der letzten Fassung, bis zum 11. Juni 1994 lautete die Vorschrift:
(1) Ein Mann über achtzehn Jahre, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter achtzehn Jahren vornimmt oder von einem Mann unter achtzehn Jahren an sich vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn
- 1. der Täter zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war oder
- 2. bei Berücksichtigung des Verhaltens desjenigen, gegen den sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.
War die Vorschrift des § 175 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar?
Es gab während der Geltung der Strafvorschrift, Versuche die Norm als verfassungswidrig zu kippen. Begründet wurde dies damit, dass im Gegensatz zur weiblichen Homosexualität nur die männliche Homosexualität unter Strafe stand. Dies sollte mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG nicht vereinbar sein. Das Bundesverfassungsgericht folgte dieser Ansicht jedoch nicht.
Bundesverfassungsgericht: Unterschiede zwischen zwischen männlicher und der weiblicher Homosexualität rechtfertigen Ungleichbehandlung
So führte es bereits 1957 aus, dass die Unterscheidung zwischen der männlichen und der weiblichen Homosexualität eine Ungleichbehandlung rechtfertigte. Das Verfassungsgericht sah die Gesellschaft und insbesondere die männlichen Jugendlichen durch die männliche Homosexualität stärker gefährdet als durch die weibliche Homosexualität (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10.05.1957, Az. 1 BvR 550/52). Diese Auffassung bestärkte es noch einmal im Jahre 1973 in einer Entscheidung (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.10.1973, Az. 1 BvL 7/72). Erst der Gesetzgeber hob die Vorschrift des § 175 StGB angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen im Jahr 1994 auf.
Die DDR war bei der Entkriminalisierung schneller
In der DDR wurde Homosexualität unter Erwachsenen bereits 1968 entkriminalisiert. 1988 wurden die letzten Sonderregelungen aufgehoben und durch eine einheitliche Jugendschutzvorschrift ersetzt.
Es waren nicht die gesellschaftlichen Veränderungen, die 1994 den Gesetzgeber bewegten, § 175 StGB aufzuheben. Vielmehr ging es damals um eine Rechtsangleichung an das vormalige DDR-Recht. In der DDR wurde nämlich § 175 StGB schon 1968 im Zuge der Strafrechtsreform aufgehoben. Rechtlich verfolgt wurden einvernehmliche, homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen in der DDR schon seit den 1950er Jahr nicht mehr.