Pflegerecht - häusliche Pflege21.06.2024

Ambulanter Pflegevertrag – Welche Regelungen sollten drin stehen?Zum notwendigen und zulässigen Inhalt eines Pflegevertrags bei häuslicher Pflege

Bei vielen Menschen kommt irgendwann die Zeit, in der man sich mit dem Thema der ambulanten Pflege beschäftigen muss. Viele fühlen sich dann überfordert, wenn es darum geht, einen Pflegevertrag abzuschließen. Was muss man zum Pflegevertrag für häusliche Pflege wissen und was gibt es zu beachten?

„An dieser Stelle geht es bei Rechtsfragen online (refrago.de) rund um das Thema „häuslicher Pflegevertrag“ und die Frage, welche wichtigen Inhalte er unbedingt enthalten sollte.

Was ist eigentlich ein ambulanter Pflegevertrag?

In einem Pflegevertrag für häusliche Pflege halten der Pflegebedürftige und der Pflegedienst alle Vereinbarungen fest, die sie hinsichtlich der häuslichen Pflege des Pflegebedürftigen treffen. Der Vertrag wird im Interesse der Rechtssicherheit schriftlich geschlossen. Er sollte alle relevanten Aspekte regeln, wie z.B. die angebotenen Leistungen, Haftungsfragen, Kündigung und auch das Entgelt. Zwar wir meist der Pflegedienst von der Krankenkasse (Pflegekasse) bezahlt, jedoch ist es auch möglich, Pflegeleistungen in Anspruch zu nehmen, wenn man noch keinen Pflegegrad hat. Schließlich kann man auch Leistungen in Anspruch nehmen, die nicht von der Pflegekasse übernommen werden. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, ist der Abschluss eines schriftlichen Pflegevertrags ist unbedingt ratsam.

Im übrigen ist es auch im Interesse des Pflegedienst einen schriftlichen Pflegevertrag abzuschließen. Sofern der Pflegedienst seine Leistungen mit der Pflegekasse abrechnen will, kann diese nach § 120 des Elften Sozialgesetzbuches (SGB XI) verlangen, dass ihr ein Pflegevertrag vorgelegt wird. Dieser muss gemäß § 120 Abs. 3 SGB XI die Leistung und ihren Umfang beschreiben sowie die vereinbarten Kosten darlegen.

Was steht zum Pflegevertrag im Gesetz?

Lesen Sie hier, was § 120 SGB XI zum Pflegevertrag genau regelt:

§ 120 Pflegevertrag bei häuslicher Pflege

(1) Bei häuslicher Pflege übernimmt der zugelassene Pflegedienst spätestens mit Beginn des ersten Pflegeeinsatzes auch gegenüber dem Pflegebedürftigen die Verpflichtung, diesen nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit, entsprechend den von ihm in Anspruch genommenen Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 zu versorgen (Pflegevertrag). Bei jeder wesentlichen Veränderung des Zustandes des Pflegebedürftigen hat der Pflegedienst dies der zuständigen Pflegekasse unverzüglich mitzuteilen.

(2) Der Pflegedienst hat nach Aufforderung der zuständigen Pflegekasse unverzüglich eine Ausfertigung des Pflegevertrages auszuhändigen. Der Pflegevertrag kann von dem Pflegebedürftigen jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden.

(3) In dem Pflegevertrag sind mindestens Art, Inhalt und Umfang der Leistungen einschließlich der dafür mit den Kostenträgern nach § 89 vereinbarten Vergütungen für jede Leistung oder jeden Leistungskomplex einschließlich ergänzender Unterstützungsleistungen bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen gesondert zu beschreiben. Der Pflegedienst hat den Pflegebedürftigen vor Vertragsschluss und bei jeder wesentlichen Veränderung in der Regel schriftlich über die voraussichtlichen Kosten zu unterrichten. Bei der Vereinbarung des Pflegevertrages ist zu berücksichtigen, dass der Pflegebedürftige Leistungen von mehreren Leistungserbringern in Anspruch nimmt. Ebenso zu berücksichtigen ist die Bereitstellung der Informationen für eine Nutzung des Umwandlungsanspruchs nach § 45a Absatz 4.

(4) Der Anspruch des Pflegedienstes auf Vergütung seiner Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 und seiner ergänzenden Unterstützungsleistungen im Sinne des § 39a ist unmittelbar gegen die zuständige Pflegekasse zu richten. Soweit die von dem Pflegebedürftigen abgerufenen Leistungen nach Satz 1 den von der Pflegekasse mit Bescheid festgelegten und von ihr zu zahlenden leistungsrechtlichen Höchstbetrag überschreiten, darf der Pflegedienst dem Pflegebedürftigen für die zusätzlich abgerufenen Leistungen keine höhere als die nach § 89 vereinbarte Vergütung berechnen.

Welche wichtigen Regelungen sollte der Pflegevertrag enthalten?

Der Pflegevertrag sollte Regelungen  zu folgenden wichtigen Punkten enthalten:

  • Wer ist Vertragspartner?
  • Welche Pflegeleistungen werden erbracht?
  • Welche Kosten entstehen?
  • Gibt es Leistungsnachweise?
  • Wird eine Pflegedokumentation geführt?
  • Wie kommt der Pflegedienst ins Haus? Gibt es Schlüssel?
  • Wie sieht es mit der Haftung bei Schäden aus?
  • Wie lang ist die Vertragslaufzeit?
  • Wie kann gekündigt werden?
  • Wie sieht es mit dem Datenschutz und der Schweigepflicht aus?

Wer ist der Vertragspartner beim Pflegevertrag und wer unterschreibt ihn?

Vertragspartner des Pflegevertrags wird in der Regel der Pflegebedürftige. Das gilt auch dann, wenn eine gesetzliche Betreuung oder eine Vorsorgevollmacht besteht. Wichtig ist dies für die Frage, von wem der Pflegedienst bezahlt wird. Würde beispielsweise der Bevollmächtigte als Vertragspartner benannt, könnte ein Pflegedienst auch diesen finanziell in Anspruch nehmen.

Die Frage nach dem Vertragspartner ist zu unterscheiden von der Frage, wer den Pflegevertrag unterschreibt. Der zu Pflegende selbst kann den Vertrag unterschreiben, aber auch der Betreuer oder der Bevollmächtigte. Letztere sollten mit ihrer Unterschrift klar machen, dass sie nicht selbst Vertragspartner sind und z.B. mit „im Auftrag“ oder „in Vertretung“ unterschreiben.

Welche Pflegeleistungen werden erbracht?

Im Pflegevertrag sollte genau festgehalten werden, welche Pflegeleistungen erbracht werden. Das Pflegepersonal wird auch nur für diese Dienstleistungen bezahlt. Folgende Pflegeleistungen kann der Pflegevertrag regeln:

  • An- und Auskleiden
  • Duschen / Waschen
  • Mund- und Zahnpflege
  • Begleitung bei Arztbesuchen
  • Medikation
  • Transfer aus dem Bett und ins Bett
  • Auch: Haustierversorgung
  • Auch: Gartenpflege
  • Einkäufe

Zu den Pflegeleistungen sollten auch Pflegezeiten vereinbart werden. Eine Pflegemaßnahme umfasst eine bestimmte Anzahl an Minuten.

In Pflegeverträgen werden oft Leistungen in Leistungsblöcken oder Leistungspaketen dargestellt. Mehrere Leistungen werden unter einem Oberbegriff zusammengefasst. Solche Oberbegriffe sind z.B. „große Toilette“, die auch als „Module“ bezeichnet werden.

In der sogenannten  „Grundpflege“ wird üblicherweise zwischen elf Modulen unterschieden. Als „Modul 1“ gilt die „Große Toilette“. Die „große Toilette“ umfasst die Hautpflege, das An- und Auskleiden, das Waschen, das Bettmachen und den Transfer aus dem Bett sowie ins Bett.

Für den Pflegebedürftige ist wichtig, dass das jeweilige Leistungsmodul / Leistungspaket genau beschrieben ist. Es muss immer die Art, Inhalt und den Umfang der Leistungen beschreiben.

In der Regel führt ein Pflegedienst daher immer ein Erstgespräch durch, in welchem die Leistungspakete besprochen werden und festgehalten wird, welches der Pflegebedürftige in Anspruch nehmen möchte.

Pflegedokumentation, Datenschutz und zur Schweigepflicht

Der Pflegedienst muss den Schutz der personenbezogenen Daten sicherzustellen. Er ist daher verpflichtet, die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen zum Datenschutz einzuhalten.

Der Pflegedienst führt in der Regel ein Pflegebuch. Dieses Pflegebuch ist wichtig, weil nicht immer die gleiche Pflegeperson zum Pflegebedürftigen kommt. Oft wird dieses Pflegebuch nicht weggeräumt, sondern liegt offen herum, damit es der Pflegedienst schnell zur Hand hat.

Das führt dazu, dass leider oft auch jede andere Person, die zu Besuch beim Pflegebedürften ist, Einsicht in das Pflegebuch erhalten kann. Diese Situation sollte vermieden werden. Der Pflegedienst sollte daher mit den Angehörigen absprechen, wo das Pflegebuch nicht einsehbar abgelegt werden kann, ohne dass es unbedingt verschlossen werden muss. Dies kann auch im Pflegevertrag vereinbart werden.

Wie erhält der Pflegedienst Zutritt zum Pflegebedürftigen?

Geregelt werden muss auch, wie der Pflegedienst in die Wohnung des zu Pflegenden gelangt. Klingelt der Pflegedienst beim zu Pflegenden oder Nachbarn oder erhält er einen eigenen Schlüssel?

Oft wird vergessen, wie mit der Situation umzugehen ist, wenn der zu Pflegende nicht die Tür öffnet. Grundsätzlich kann bei einem Pflegebedürftigen immer ein Notfall vorlegen. Im Pflegevertrag sollte daher diese Situation geregelt werden.

Was, wenn der Pflegedienst einen Schaden verursacht?

Selbst bei jeder Vorsicht kann es mal zu einem Schaden kommen, den ein Mitarbeiter des Pflegediensts zu verantworten hat. Schnell kann z.B. ein Wohnungsschlüssel verloren gehen, ein Glas herunterfallen oder ein Kratzer an der Wand entstehen. Der Pflegevertrag sollte daher Haftungsregeln enthalten.

Pflegedienste versuchen oft ihre Haftung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. Verbraucherzentralen raten aber, einen entsprechenden Absatz im Pflegevertrag raus zu streichen, damit der Pflegedienst auch bei „einfacher“ Fahrlässigkeit haftet.

Das entspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber möchte, dass Pflegedienste für verursachte Schäden haften. Hierzu gehören unter anderem der Verlust von Schlüsseln, die Beschädigung von Haushaltsgegenständen aber auch Personenschäden. Auf diese Weise sollen die Dienstleister sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einer größtmöglichen Sorgfalt bei der Arbeit angehalten werden.

Aus diesem Grund darf der Pflegedienst in einem Pflegevertrag nicht die Haftung ausschließen oder auf „Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit“ beschränken. Selbst bei leichter Fahrlässigkeit ist er  in der Haftung und muss für entstandene Schäden geradestehen. Anderslautende Passagen in einem Pflegevertrag sind ungültig.

Wichtiges Thema: Schlüssel und ein eventueller Schlüsselverlust durch den Pflegedienst

Gerade beim Thema „Schüsselverlust“ ist das auch noch einmal gerichtlich entschieden worden. Ein Pflegevertrag enthielt die Klausel: „Für einen etwaigen Verlust eines nach besonderer Vereinbarung überlassenen Wohnungsschlüssels haftet der Pflegedienst nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit seiner Mitarbeiter.“ Das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 31.07.2008 – 2 U 17/08) hat entschieden, dass eine solche Klausel unwirksam ist.

Das Gericht führte aus: „Die Überlassung des Schlüssels erleichtert in hohem Maße die Abwicklung der Pflege. Der Pflegebedürftige muss, um dem Pflegepersonal Einlass zu gewähren, nicht lange oder beschwerliche Wege gehen. Der Pflegedienst hat umgekehrt schnellen Zugang zur Wohnung, was Wartezeiten entfallen lässt und die Organisation des Einsatzes nachhaltig erleichtert; andererseits ist auch ein rascher Zutritt zur Wohnung gewährleistet, wenn die pflegebedürftige Person aufgrund ungeklärter Umstände nicht öffnet. Mit der Schlüsselübergabe, die danach ein wesentliches technisches und pflegerisches Vertragselement darstellt, hat der Patient seinen geschützten Wohnbereich dem ungehinderten und jederzeitigen Zugriff des Pflegepersonals eröffnet und sich so eines wesentlichen Teils seiner Selbstbestimmung begeben.“

„Der Patient darf erwarten, dass mit dem Gegenstand, der dem Pflegedienst, aber bei Verlust auch unter Umständen jedem Dritten ungehinderten Zutritt zu seiner Wohnung ermöglicht, besonders sorgsam umgegangen wird. Denn im Verlustfalle muss er sich nicht nur, da ein Zuwarten bis zum möglichen Wiederauffinden des Schlüssels in der Regel nicht zumutbar ist, sofort um einen Schlossaustausch bemühen, was bei einer pflegebedürftigen Person oft mit besonderen Erschwernissen verbunden sein kann, um vor dem ansonsten möglichen Eindringen von Unbefugten, die nicht von guten Absichten geleitet sind und denen er zumeist schutzlos ausgeliefert ist, zu wehren. Der Haftungs- und damit Sorgfaltsmaßstab im Umgang mit dem in Obhut genommenen Schlüssel darf danach nicht auf besondere Sorglosigkeit beschränkt bleiben. Vielmehr muss sich der Pflegedienst dieses anvertrauten Gegenstandes in besonderer Weise annehmen. Eine davon abweichende Klausel missachtet dieses Interesse grob. Sie ist danach unwirksam,“ führte das OLG Stutgart aus.

Was, wenn ich dem Pflegedienst absagen muss?

Manchmal kommt etwas dazwischen und der Pflegedürftige will dem Pflegedienst absagen. Das kann z.B. ein Krankenhausaufenthalt, der Geburtstag eines Angehörigen oder ein Urlaub sein.

Der Pflegevertrag sollte daher genau regeln, bis wann ein Pflegetermin abgesagt werden kann Am besten ist es, wenn es hierzu eine genaue Regel gibt, wie z.B. „Absage bis 48 Stunden vor dem Pflegetermin möglich“.  Regelungen, wie „rechtzeitig absagen“ sind nicht klar genug und führen zu unnötigen Streitigkeiten.

Laufzeit und Kündigung des Pflegevertrags

In der Regel soll die Pflegeleistung für einen unbestimmten Zeitraum erbracht werden und der Vertrag läuft auf unbestimmte Zeit. Es kann aber auch sein, dass die Pflege nur vorübergehend benötigt wird, z.B. weil pflegende Angehörige selbst erkrankt oder um Urlaub sein. Dann sollte dieser Zeitraum im Pflegevertrag aufgenommen werden.

Bei der Kündigung des Pflegevertrags ist zu unterscheiden, wer kündigen möchte: der zu Pflegende oder der Pflegedienst.

Kündigung des Pflegevertrags durch den Pflegebedürftigen

Der Gesetzgeber hat festgesetzt, dass der Pflegebedürftige den Pflegevertrag jederzeit kündigen kann. In § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB XI steht wörtlich: „Der Pflegevertrag kann von dem Pflegebedürftigen jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden.“

Das hat auch der Bundesgerichtshof so noch einmal für richtig befunden. Die in einem Pflegevertrag enthaltene Klausel, wonach der Kunde den Pflegevertrag mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündigen könne, benachteilige den Pflegebedürftigen unangemessen benachteilige und sei deshalb unwirksam (BGH, Urteil vom 09.062011, Az. III ZR 203/10)

Kündigung des Pflegevertags durch den Pflegedienst

In der Regel sieht der Pflegevertrag für den Pflegedienst eine Kündigungsfreist von sechs Wochen vor, damit der Pflegebedürftige genug Zeit hat, sich einen anderen Pflegedienst zu suchen.

Beendigung des Pflegevertrags mit Tod des Pflegebedürftigen

Mit dem Tod des Pflegebedürftigen endet der Vertrag automatisch.

Fazit:

Wenn Sie einen Pflegevertrag abschließen, müssen Sie also einiges bedenken und wissen. Sollten Sie unsicher sein, können Sie auch die Verbraucherzentrale fragen.

Quelle:refrago(pt)
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