Bewerbung um einen Arbeitsplatz - Müssen schwerbehinderte Menschen zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden?Schadensersatzanspruch bei Vorstellungsgespräch mit Schwerbehinderung
Eine neue Stelle zu finden ist heutzutage nicht einfach. Gerade Menschen mit einer Behinderung werden noch oft benachteiligt. Darum gibt es z.B. § 165 SGB IX, der schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitssuche helfen soll.
Öffentliche Arbeitgeber treffen in einem Bewerbungsprozess besondere Pflichten. Entsprechend ihrer Vorbildfunktion müssen sie gemäß § 165 Satz 2 SGB IX schwerbehinderte Menschen, die sich bei ihnen um einen Arbeitsplatz bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch, einladen. Anderenfalls liegt eine verbotene Benachteiligung vor.
Entbehrlichkeit der Einladung zum Vorstellungsgespräch
Von dem Grundsatz der „Einladungspflicht“ gibt es aber eine Ausnahme. Die Einladung muss dann nicht erfolgen, wenn die fachliche Eignung des Bewerbers mit Schwerbehinderung für die begehrte Stelle ganz offensichtlich fehlt. Dann ist die Einladung entbehrlich. Diese Regelung soll dem schwerbehinderten Bewerber die Möglichkeit eröffnen, sich in jedem Fall persönlich vorzustellen und so von sich überzeugen zu können. Eine Extra-Chance auf die neue Stelle.
Schadensersatzanspruch bei Vorstellungsgespräch mit Schwerbehinderung
Wird ein schwerbehinderter Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, so gilt die gesetzliche Vermutung, dass der Bewerber benachteiligt wurde. § 7 AGG Abs. 1 (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) verbietet eine Benachteiligung wegen einer Behinderung (§ 1 AGG).
Laut § 15 Abs. 2 AGG kann der nicht eingestellte Bewerber wegen der unterlassenen Einladung zum Vorstellungsgespräch einen Schadensersatz von bis zu drei Bruttomonatsgehältern geltend machen.
Weitere Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Einladung zum Vorstellungsgespräch
Der Bewerber muss schwerbehindert sein und dies auch im Bewerbungsverfahren mitgeteilt haben. Als Mitteilung reicht es z.B. aus, wenn der Bewerbung eine Kopie des Schwerbehindertenausweises beigelegt wurde oder im Anschreiben die Schwerbehinderung mitgeteilt wurde.
Von einer Schwerbehinderung wird ab einem Grand der Behinderung (GdB) von 50 ausgegangen. Möglich ist auch die Gleichstellung ab einem GdB von 30.
So urteile das Verwaltungsgericht Mainz, dass einer schwerbehinderten Bewerberin, der die fachliche Eignung für eine von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle nicht evident fehlt, in der Regel eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu zahlen ist, wenn sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist (Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 28.01.2022, Az. 4 K 1036/20.MZ).
Umkehr der Beweislast zum Nachteil für den Arbeitgeber
Normalerweise hätte der schwer behinderte Mensch die volle Darlegungs- und Beweislast, dass er wegen seiner Behinderung benachteiligt wurde. Der Gesetzgeber hat aber die Beweislast umgekehrt, um dem schwerbehinderten Menschen seine Darlegungs- und Beweislast für eine Benachteiligung zu erleichtern. Es ist daher ausreichend, wenn der Bewerber Indizien vortragen kann, die die Vermutung stützen, dass er wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch zur Folge hat, dass der schwerbehinderte Bewerber vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausscheidet. Der Bewerber hat somit keine Chance mehr sich vorzustellen. Darin sei eine unmittelbare Benachteiligung wegen seiner Behinderung zu sehen.
Besteht diese Vermutung, dann trägt wiederum der Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er den Bewerber nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt hat. Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und notfalls beweisen, dass die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch ausschließlich auf anderen Gründen basiert.
Was gilt für private Arbeitgeber?
Anders als für öffentliche Arbeitgeber besteht für private Arbeitgeber keine Pflicht, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
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