Autokauf25.09.2015

Nach VW-Abgasmanipulation: Kann man als Käufer eines Volkswagens vom Kaufvertrag zurücktreten?

Volkswagen hat mit seiner Abgasmanipulation Millionen Autofahrer verärgert. Die tadellosen Umweltwerte, die möglicherweise bei dem einen oder anderen zur Kaufentscheidung bei der Neuwagenanschaffung beitrugen, kamen nur per Softwaretrick zustande. Ob auch deutsche oder europäische Autos manipuliert wurden, ist noch fraglich, aber durchaus möglich. Darum fragen sich viele Verbraucher: Ist ein Rücktritt von Kaufverträgen möglich?

Kann man von einem Vertrag nach dem Kauf eines Neuwagens zurücktreten?

Vom Vertrag über einen Autokauf ohne triftigen Grund zurückzutreten, ist in der Regel nicht möglich. Denn auch beim Autokauf gilt zunächst der juristische Grundsatz „Pacta sunt servanda“, zu Deutsch: „Verträge sind einzuhalten.“ Nur weil das ausgesuchte Modell nach den ersten gefahrenen Kilometern doch nicht mehr gefällt, kann die Neuerwerbung also nicht einfach zurückgegeben werden. Möglich ist das nur in dem – seltenen – Fall, dass der Verkäufer vertraglich ein solches Rücktrittsrecht eingeräumt hat.

Rücktrittsrecht beim Neuwagenkauf besteht nur bei erheblichen Mängeln

Ein gesetzliches Rücktrittsrecht steht dem Kunden beim Kauf eines Neuwagens dann zu, wenn das Auto einen erheblichen Mangel aufweist. Zwar können auch geringe Mängel bei einem Neuwagen einen Sachmangel darstellen. Den Kauf gänzlich rückgängig machen, kann der Kunde bei einem im rechtlichen Sinne unerheblichen Mangel aber nicht. Bei den jetzt bekanntgewordenen Manipulationen liegen die tatsächlichen Abgaswerte zehn- bis 40-mal höher als die aktuellen Grenzwerte in den USA. Sollte sich eine solche Manipulation der Abgastests auch in EU-Ländern ereignet haben, stellt das ganz klar einen Mangel dar. Ob dieser Mangel aber als erheblich einzustufen ist und damit zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, entzieht sich aber derzeit noch einer abschließenden juristischen Einschätzung.

Erheblich höherer Kraftstoffverbrauch berechtigt zum Rücktritt vom Kaufvertrag

Zum abweichenden Kraftstoffverbrauch hingegen haben Gerichte Urteile im Sinne der Verbraucher gefällt. Ein Käufer kann demnach vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn der gekaufte Neuwagen auch unter Testbedingungen über 10 Prozent mehr Kraftstoff verbraucht als im Verkaufsprospekt angegeben. Der Käufer ist dann zum Rücktritt berechtigt, weil dem Fahrzeug eine Beschaffenheit fehlt, die er nach dem Verkaufsprospekt habe erwarten dürfen (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 07.02.2013, Az. I-28 U 94/12).

Neuwagen müssen seit 1. September 2015 strengere Emissionsgrenzwerte einhalten

Darum gelten europaweit seit dem 1. September 2015 strengere Emissionsgrenzwerte für Neuwagen. Die Hersteller der Fahrzeuge müssen darauf achten, dass die Neuwagen die strengeren Grenzwerte einhalten. Wenn die Fahrzeuge das nicht tun, dürfen sie gar nicht erst zugelassen werden. Mit der Euro-6-Abgasnorm soll der Ausstoß von Partikeln und Stickoxiden pro Kilometer noch einmal reduziert werden. Insbesondere Hersteller von Diesel-Fahrzeugen sind davon betroffen. Doch schon jetzt stellen Techniker der Automobilclubs bei unabhängigen Abgastests Grenzwertüberschreitungen fest: Auf einem unabhängigen Prüfstand überschritten die Messergebnisse die Euro-6-Abgasnorm mehrfach um das sieben- bis 20-fache. Dies könnte ein Hinweis auf Abgasmanipulationen auch bei uns sein; ein Beweis ist es aber noch nicht.
Siehe auch auf anwaltsregister.de:

Quelle:ARAG/DAWR/kg
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4 Gedanken zu „Nach VW-Abgasmanipulation: Kann man als Käufer eines Volkswagens vom Kaufvertrag zurücktreten?

  • 28. September 2015 um 9:36 Uhr
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    In § 323 Abs. 5 S.2 BGB heißt es, "wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist." Eine erhebliche Pflichtverletzung nimmt der BGH nach bisheriger Rspr. immer an, wenn eine arglistige Täuschung vorliegt, was bei dem Fall VW wohl gegeben sein dürfte. Insoweit stellt sich für den Rücktritt dann nicht mehr die Frage, ob der Mangel erheblich ist.
    Grüße
    M. Seitz

    Antwort
    • 28. September 2015 um 19:57 Uhr
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      Die Ausführungen von M. Seitz sind falsch.

      Der BGH hatte lediglich im Zusammenhang mit arglistiger Täuschung durch Verschweigen der Feuchtigkeitsmängel einer verkauften Wohnung dem Käufer das Recht eingeräumt, dem Verkäufer keine Nachfristsetzung zur ordnungsgemäßen Erfüllung setzen zu müssen, sondern gleich vom Kaufvertrag zurücktreten zu dürfen, BGH Urteil vom 12.03.2010.

      Die Frage der Erheblichkeit der Feuchtigkeitsmängel stellte sich damals gar nicht, weil dies offensichtlich war

      Es gibt meines Wissens nach keine einzige Entscheidung des BGH, wo er erklärt hätte, dass bei arglistigem Handeln des Verkäufers es auf die Frage der Erheblichkeit des Mangels im Sinne von § 323 V BGB nicht mehr ankomme, dass also diese gesetzliche Voraussetzung quasi durch die Arglist des Verkäufers automatisch ersetzt wäre.

      Wenn M. Seitz da was anderes bekannt sein sollte, möge er doch bitte diese Entscheidung des BGH etwas näher bezeichnen, Datum oder Aktenzeichen.

      Da hat M. Seitz wohl etwas falsch verstanden.

      Antwort
      • 30. September 2015 um 8:52 Uhr
        Permalink

        Zum Begriff der „Pflichtverletzung“ BGH, Urt. v. 24. März 2006 – V ZR 173/05, Fundstelle BGH NJW
        2006, 1960 und dazu S. Lorenz NJW 2006, 1925 ff:
        „Eine den Rücktritt und die Geltendmachung von
        Schadensersatz statt der ganzen Leistung ausschließende
        unerhebliche Pflichtverletzung ist beim Kaufvertrag in der
        Regel zu verneinen, wenn der Verkäufer über das
        Vorhandensein eines Mangels arglistig getäuscht hat.“

        Ich denke nicht, dass ich hier etwas falsch verstanden habe.

        Mit freundlichen Grüßen
        Matthias Seitz

        Antwort
        • 1. Oktober 2015 um 10:56 Uhr
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          M. Seitz hat dankenswerterweise zu Recht, auf die Ausführungen des BGH aus 2006 hingewiesen.

          Das Hauptproblem wird aber darin liegen, ob hier die Interessenlage des Autokäufers vergleichbar ist mit der des Käufers einer durchfeuchteten Immobilie.

          Die Arglist der VW AG liegt primär wohl eher nur gegenüber dem Kraftfahrzeugbundesamt vor bezüglich der erteilten Betriebserlaubnis z.B. für Euro-Norm 4, 5 oder 6, da diese Bescheinigungen abhängig sind vom Schadstoffausstoß.

          Zu fragen ist also, inwieweit hat der Käufer überhaupt selbst einen eigenen Schatten erlitten durch den Kauf des PKW, d.h. in welche Schutzrichtung geht das arglistige Täuschen über die wahren Abgaswerte.

          Klar ist, wenn ein PKW verkauft wird mit der Angabe, dass z.B. die Abgasnorm Euro 5 oder 6 erfüllt sei und dies in Wirklichkeit nicht stimmt, dass dann der Käufer einen direkten Schaden bzw. Anspruch hat wegen falscher Zusicherung.

          Was aber, wenn selbst bei objektiv richtiger Messung die Schadstoffwerte dieser Normvorgaben noch eingehalten sind, kann sich der Käufer dann darauf berufen, er habe nur ein für die Umwelt weniger belastendes KFZ kaufen wollen und möchte deshalb den PKW zurückgeben?

          Der BGH hat in seiner damaligen Entscheidung bereits darauf hingewiesen, dass nur im Regelfall die Interessenlage des arglistig getäuschten Käufers so sei, dass der Mangel an der Kaufsache unabhängig von seinem Umfang, also ob erheblich oder nicht, einen Rücktritt rechtfertigen könnte.

          Wenn sich aber die arglistige Täuschung im wesentlichen gar nicht direkt gegen den Käufer bezüglich einer Eigenschaft der Kaufsache richtet, sondern primär gegenüber getäuschten staatlichen Aufsichtsorganen bzw. Prüfeinrichtungen, so könnte sich hier eine andere Bewertung ergeben.

          Also Vorsicht mit der Vorstellung, allein die Täuschung durch die VW AG könnte den Rücktritt rechtfertigen.

          Antwort

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