Darf die Polizei das Smartphone eines Verdächtigen mittels seines zwangsweise genommenen Fingerabdrucks entsperren?Rechtmäßiges Entsperren des Smartphones mittels Fingerabdruck durch die Polizei?
Heutzutage lassen sich alle neuen Smartphones auf verschiedene Arten sperren. Neben der Verwendung von Passwörtern oder PIN-Codes können auch biometrische Identifikationsmerkmale wie der eigene Fingerabdruck oder ein Gesichtsfoto eingesetzt werden, um das Telefon zu schützen. Dies verhindert, dass unbefugte Personen Zugang zu den auf dem Smartphone gespeicherten Daten haben. Was ist nun aber, wenn sich auf dem Smartphone Daten befinden könnten, welche zur Ermittlung eines strafrechtlichen Verfahrens benötigt werden? Ist die Polizei dann dazu berechtigt, Fingerabdrücke, Lichtbilder oder ähnliches gegen den Willen des Betroffenen zu nehmen, um damit das gesperrte Smartphone entsperren zu können? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich die folgende Rechtsfrage.
Grundsätzlich gehört das Smartphone zum engen Persönlichkeitskreis des Betroffenen. Die Verschlüsselung des Gerätes wird sowohl datenschutzrechtlich als auch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG rechtlich geschützt.
Damit ein Eingriff, also ein Entsperren des Smartphones mit zuvor genommenen Fingerabdruck gerechtfertigt sein könnte, müssen Voraussetzungen vorliegen, welche ein Entsperren rechtfertigen würden.
Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Damit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen werden darf, bedarf es gem. § 2 I GG einer gesetzlichen Grundlage für einen solchen Eingriff. Als gesetzliche Grundlage kommt bei einer Entsicherung des Smartphones mit zuvor gegen den Willen genommene Fingerabdrücke der § 81b Abs. 1 StPO in Betracht. Dieser schreibt vor, dass es rechtens ist, gegen den Willen des Beschuldigten Lichtbilder und Fingerabdrücke zu nehmen, um die Maßnahmen der strafrechtlichen Ermittlung weiter führen zu können.
Was ist ein Beschuldigter?
Was man unter einem Beschuldigten oder einem Angeschuldigten versteht, haben wir einer speziellen Rechtsfrage beantwortet: Angeschuldigter und Beschuldigter – Gibt es einen Unterschied zwischen einem Angeschuldigten und einem Beschuldigten?
§ 81b Abs. 1 StPO erlaubt erkennungsdienstliche Maßnahmen gegen einen Beschuldigten
Da mit dieser Norm viele geschützte Rechte aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht umgangen werden würden, ist ein Eingriff nur gerechtfertigt, wenn ein dringlicher Grund, ein relevantes Interesse hinter dem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht. Da der Fingerabdruck gegen den Willen des Betroffenen vorliegend nur genommen werden würde, wenn dieser für ein strafrechtliches Verfahren von Relevanz ist, wäre ein relevantes Belangen gegeben. Das Nehmen von Fingerabdrücken gegen den Willen des Beteiligten zur Ermittlung eines strafrechtlichen Verfahren, ist somit durch den § 81b Abs. 1 StPO gerechtfertigt. Aus dem § 81b Abs. 1 StPO ergibt sich jedoch nicht das konkrete Recht, damit auch ein verschlüsseltes Smartphones des Betroffenen zu entsperren.
Recht zum Entsperren eines Smartphones
Diesbezüglich entschied jedoch das Landgericht Ravensburg, dass die Verwendung zur Entsperrung von Smartphones vom § 81b Abs. 1 StPO mit umfasst sei. Die Richter des Landgerichts Ravensburg begründeten dies unter anderem damit, dass zum Zeitpunkt der Formulierung des § 81b Abs. 1 StPO vor etlichen Jahrzehnten, nur auf die Erfassung von biometrischen Merkmalen zu Ermittlungszweck abgezielt wurde. Das Sperren von technischen Geräten mit Fingerabdrücken bzw. Lichtbildern war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht denkbar. Das Entsperren des Gerätes durch einen, gegen den Willen genommenen Fingerabdruck, verfolge den gleichen Zweck, wie der damals von der Gesetzgebung gewollte bei der Formulierung vom § 81b Abs. 1 StPO.
§ 81b Abs. 1 StPO erlaubt auch die Verwendung der Fingerabdrücke zum Entsperren eines Smartphones
Nach Auffassung der Richter deckt somit § 81b Abs. 1 StPO auch die Verwendung der Fingerabdrücke zum Entsperren des Smartphones mit ab auch wenn dies vom klassischen Fall des § 81b Abs. 1 StPO abweichen würde. Der Wortlaut von § 81b StPO sei „technikoffen“ gestaltet und würde daher sich auf die Entsperrung eines Mobilfunktelefons übertragen lassen. Wichtig und vor allem auch einzelfallabhängig bleibt, dass die Maßnahme der Polizei notwendig und verhältnismäßig sein muss. Die getroffene Entscheidung vom Landgericht Ravensburg unter dem Aktenzeichen 2 Qs 9/23 vom 14.02.2023 muss nicht den Regelfall darstellen. Wenn das Entsperren für das strafrechtliche Verfahren nicht notwendig wäre, oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde, kann ein Entsperren des Smartphones auch unrechtmäßig sein.
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