Aussage gegen Aussage19.06.2024

Sexualstrafrecht: Wem glaubt das Gericht bei Aussage gegen Aussage, z.B. beim Vorwurf der Vergewaltigung?Was bedeutet die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation für die Strafverteidigung?

Bei „Aussage gegen Aussage“ stehen sich die Schilderung des vermeintlichen Opfers und die Darstellung des Beschuldigten gegenüber und weichen von einander ab, ohne dass auf weitere zusätzliche Beweismittel zurückgegriffen werden kann. Was bedeutet dies für das Strafverfahren?

Bereits eine einfache Anschuldigung oder ein bloßer Verdacht der Vergewaltigung genügen, um das Leben des Beschuldigten und seine Existenz vollständig zu zerstören. Der Vorwurf allein stempelt den Beschuldigten in der Gesellschaft zum Schuldigen, unabhängig vom Ausgang des späteren Verfahrens. Selbst bei einem Freispruch bleibt der Vorwurf ein lebenslanger Makel. In der öffentlichen Wahrnehmung scheint die Unschuldsvermutung bei Sexualdelikten nicht zu gelten. Genannt sie hier zum Beispiel der Fall „Kachelmann“. Der ehemalige ARD-Wettermoderator wurde letztlich vom Vorwurf Vergewaltigung frei gesprochen. Seine Karriere war aber zunächst beendet. Kleiner Exkurs am Rande: Wer einen anderen einer Straftat beschuldigt, kann sich übrigens schadenersatzpflichtig machen. Auch das zeigt der „Fall Kachelmann“ (Wettermoderator Kachelmann hat hat Anspruch auf Schadenersatz wegen falschen Vergewaltigungsvorwurfs).

Im Sexualstrafrecht insbesondere bei dem Vorwurf der Vergewaltigung gibt es die Besonderheit, dass diese Straftrat nur zwischen dem Täter und dem Opfer stattfindet und es nur sehr selten Zeugen gibt. Im Beweisverfahren steht dann häufig „Aussage gegen Aussage“ gegenüber. Einfacher in der Beweisführung beim Vorwurf der Vergewaltigung wird es, wenn es zusätzliche Beweismittel gibt, wie z.B. körperliche Spuren oder gar Verletzungen oder weitere Zeugenaussagen über gehörte Geräusche.

Was heißt eigentlich Aussage gegen Aussage?

Bei „Aussage gegen Aussage“ stehen sich die Schilderung des vermeintlichen Opfers und die Darstellung des Beschuldigten gegenüber und weichen von einander ab, ohne dass auf weitere zusätzliche Beweismittel zurückgegriffen werden kann. Als Beschuldiger muss man nur Angaben zu seiner Person machen und darf man zum eigentlichen Tatvorwurf schweigen. Macht man als Beschuldiger also von seinem Schweigerecht Gebrauch, dann steht auch hier Aussage gegen Aussage, solange – mit Ausnahme der Aussage des angeblichen Opfers – es keine weiteren Beweise gibt.

Bedeutet eine „Aussage gegen Aussage“-Konstellation automatisch einen Freispruch für den Angeklagten (im Zweifel für den Angeklagten – in dubio pro reo)?

Im Strafrecht gibt es einen wichtigen Grundsatz: „In dubio pro reo“. Zu Deutsch: „Im Zweifel für den Angeklagten“. Allerdings führt die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation nicht automatisch dazu, dass ein Angeklagter frei gesprochen wird. Das Strafgericht muss in dieser besonderen Situation begutachten, ob die belastende Aussage zur Verurteilung ausreicht. Grundsätzlich kann nämlich die Verurteilung allein aufgrund dieser Aussage erfolgen.

Strafgericht muss eine Glaubwürdigkeitsprüfung durchführen

Das Gericht muss die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit der Aussage ganz genau prüfen und bewerten. Diese Überprüfung und Bewertung für das Gericht anhand von objektiven Kriterien durch. Diese Kriterien sind:

  • Die belastende Aussage ist widerspruchsfrei
  • Die belastende Aussage ist hinsichtlich des Kerngeschehens ist in sich stimmig
  • Die belastende Aussage ist detailreich
  • Emotionen werden authentisch wiedergegeben
  • Die belastenden Aussage verstößt nicht gegen logische Denkgesetze

Was bedeutet die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation für die Strafverteidigung?

Bei der Aussage-gegen-Aussage-Konstellation kann die Strafverteidigung ihr stärktes Verteidigungsmittel ausspielen und muss versuchen, die Beweislage zu erschüttern. Bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit der Aussage bieten sich für die strafrechtliche Verteidigung verschiedene Angriffspunkte.

Bei der Prüfung der oben genannten Kriterien kann konkret herausgearbeitet werden, warum eine Aussage an bestimmten Stellen unglaubwürdig sein könnte. Es kann aufgezeigt werden, warum an anderen Stellen nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Aussage auf einem psychologischen Irrtum oder sogar einer absichtlichen Lüge beruht. Durch das Entwickeln solcher Prüfungshypothesen wird dem Gericht die Aufgabe gegeben, noch genauer hinzusehen. Für eine Verurteilung müsste das Gericht nachweisen, dass diese Hypothesen die Glaubwürdigkeit der Aussage nicht erschüttern. Dieser strafprozessuale Vorteil für die Verteidigung basiert auf der Unschuldsvermutung des Angeklagten.

Was kann man tun, wenn wegen eines Sexualdelikts verdächtigt wird?

Lange bevor es zu einem Gerichtsverfahren kommt, stellen die Polizei und die Staatsanwaltschaft zunächst Ermittlungen an. Rechtsanwälte raten einhellig, solange man nicht rechtsanwaltlich vertreten ist, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Das gilt insbesondere auch für zu Unrecht beschuldigte Personen. Oft neigen diese dazu sich redend verteidigen zu wollen, was auch „nach hinten losgehen“ kann.

Quelle:refrago(pt)
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