Dürfen Banken einseitig einen Negativzins berechnen?Urteile pro und contra Negativzinsen
Normalerweise erhält ein Bankkunde auf sein Bankguthaben Zinsen. Für die Bank kann dies jedoch zu einem Verlustgeschäft führen, wenn zugleich die Zentralbank auf die Geldeinlagen der Bank einen Negativzins erhebt. Anstatt Zinsen für die Einlage zu erhalten, muss die Bank für die Einlage einen Zinssatz zahlen. Die Geldeinlage kostet der Bank somit etwas. Die Zentralbank will die Bank damit zwingen, ihr Geld dem Kapitalmarkt zur Verfügung zu stellen. Muss die Bank auf ihre Geldeinlagen einen Negativzins zahlen und zugleich den Bankkunden auf ihr Bankguthaben ein Zinssatz gewähren, droht ein Verlust. Um diesen auszugleichen, kann die Bank auf die Idee kommen, den Negativzins an ihre Kunden weiterzugeben. Doch ist dies ohne Zustimmung der Kunden zulässig?
Dürfen Banken einseitig einen Negativzins berechnen?
Die rechtliche Zulässigkeit der einseitigen Berechnung von Negativzinsen für Bankguthaben der Bankkunden ist noch nicht abschließend geklärt. Zurzeit sind mehrere Verfahren zu dieser Frage vor deutschen Gerichten anhängig. In erster Instanz haben Gerichte die Zulässigkeit von Negativzinsen unterschiedlich beantwortet. Eine Klärung durch den Bundesgerichtshof, ob Negativzinsen rechtlich zulässig sind und unter welchen Bedingungen sie vertraglich vereinbart werden können, steht noch aus.
Urteile contra Negativzinsen:
- Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2021, Az. 12 O 34/21
Das Landgericht Düsseldorf hat der Volksbank Rhein-Lippe die Verwendung einer Verwahrentgeltklausel in ihren Giroverträgen, wonach Kunden auf Einlagen von mehr als 10.000 Euro Negativzinsen von 0,5 Prozent zahlen sollten, untersagt. Die Verwahrentgeltklausel sei unwirksam, da sie mit dem gesetzlichen Modell des Girovertrags unvereinbar sei und Verbraucher unangemessen benachteilige. Die Guthabenverwahrung stelle bei Giroverträgen lediglich eine Nebenleistung der Bank dar, die notwendiger Teil und Voraussetzung für die Erbringung der Hauptleistung der Bank sei. Hauptleistung seien die Zahlungsdienste der Bank. Für diese bezahlen die Kunden aber bereits eine Kontoführungsgebühr. Eine zusätzliche Zahlung von Negativzinsen wäre eine doppelte Bezahlung für die gleichen Bankleistung (also der Zahlungsdienste). Auch als zusätzliches Entgelt könne die Bank die Negativzinsen nicht verlangen, da solche Entgelte nur erhoben werden dürfen, wenn sie gesetzlich gemäß § 675 f Absatz 5 Satz 2 BGB in Verbindung mit dem im ZAG (Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten) bzw. ZKG (Gesetz über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen) zugelassen sind. Dies ist bei Verwahrentgelten nicht der Fall. Mehr hier: Landgericht Düsseldorf, Urteil from 22.12.2021, Fn. 12 O 34/21
- Landgericht Berlin, Urteil vom 28.10.2021, Az. 16 O 43/21
Zu einem ähnlichen Ergebnis war zuvor bereits das Landgericht Berlin in einer Verbraucherschutzklage gegen die Sparda-Bank Berlin gekommen. Auch dieser untersagte das Gericht die Verwendung einer Verwahrentgeltklausel, bei der ab Guthaben über 25.000 Euro auf Girokonten und über 50.000 Euro auf Tagesgeldkonten 0,5 Prozent Negativzinsen gezahlt werden sollten. Auch das Landgericht Berlin befand, dass Verwahrentgelte nicht mit den wesentlichen Grundgedanken des Zahlungsdiensterechts vereinbar seien. Die Guthabenverwahrung sei keine Sonderleistung der Bank, sondern immanenter Bestandteil des Girovertrags, ohne den die Hauptleistung der Bank – das Erbringen der mit dem Girovertrag vereinbarten Zahlungsdienste – nicht erbracht werden könne. Es spiele deshalb, so das Berliner Gericht, auch keine Rolle, ob daneben Kontoführungsgebühren erhoben werden oder nicht.
Urteil pro Negativzinsen:
- Landgericht Leipzig, Urteil vom 08.07.2021, Az. 05 O 640/20
Das Landgericht Leipzig kam in einem gegen die Sparkasse Vogtland geführten Verfahren zu einem andere Ergebnis. Allerdings wies der zugrunde liegende Sachverhalt auch einige Besonderheiten auf. So hatte die Sparkasse Vogtland die Verwahrentgeltklausel nicht über einen Preisaushang bzw. Allgemeine Geschäftsbedingungen eingeführt, sondern ausschließlich über individuelle Vereinbarungen mit den einzelnen Kunden bei Abschluss neuer Giroverträge bzw. beim Kontowechsel von Altkunden auf ein neues Konto. Die Kunden wurden in einem Beratungsgespräch und durch Kenntnisnahme der gesondert zu unterzeichnenden und mit „Verwahrentgelt zu Girokonto“ überschriebenen Vertragsanlage ausreichend über den Charakter des gesonderten Verwahrentgelts aufgeklärt. Ein solches individuell vereinbartes Verwahrentgelt sei keine überraschende Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern stelle eine eigenständige Hauptleistung eines neben dem Girovertrag bestehenden atypischen Verwahrungsvertrages dar, für den auch eine gesondertes Entgelt als entsprechende Gegenleistung des Bankkunden vereinbart werden könne. Das Verwahrentgelt sei deshalb eine kontrollfreie, wirksame Preishauptabrede. Mehr hier: Landgericht Leipzig, Urteil from 08.07.2021, Fn. 05 O 640/20
Alle Fragen offen: Höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus
Die divergierenden Entscheidungen der verschiedenen Landgerichte zeigen, dass das letzte Wort hinsichtlich Negativzinsen noch nicht gesprochen ist. Zum einen sind alle Verfahren noch nicht rechtskräftig. Gegen sie haben die jeweils unterlegenen Parteien Rechtmittel eingelegt, so dass sie in der nächsten Instanz auf Rechtsfehler überprüft werden. Letztlich wird der Bundesgerichtshof oder der Gesetzgeber eine einheitliche Linie vorgeben müssen.
Das Urteil des Landgerichts Leipzig zeigt aber auch, dass Banken durchaus die Möglichkeit haben, mit speziellen Vertragsgestaltungen auf strengere Rahmenbedingungen zu reagieren.
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Im Gegenzug müssten die Banken mir dann aber auch Negativzinsen zukommen lassen, wenn ich mein Konto überziehe. Sie können ja meine Überziehung dafür nutzen, dass sie gerade keine Einlage bei der EZB machen müssen.