Verdächtigung als Ladendieb: Kann man wegen der falschen Verdächtigung des Ladendiebstahls Schmerzensgeld verlangen?
Die meisten Kaufhäuser beschäftigen zum Schutz vor Ladendiebstahl Hausdetektive. Die Ladendetektive patrouillieren durch die Verkaufsflächen und halten Ausschau nach möglichen Dieben. Unterstützt werden sie von Kameras und elektronischer Diebstahlsicherung. So mancher Langfinger wurde dadurch auf frischer Tat ertappt. Aber es kommt auch vor, dass vollkommen Unschuldige des Ladendiebstahls verdächtigt werden. Einige von diesen falsch Verdächtigten fühlen sich durch den Vorwurf des Diebstahls und der damit einhergehenden Prozedur, wie das Festhalten in einem Büro oder die Benachrichtigung der Polizei, in ihren Rechten verletzt und klagen auf Schmerzensgeld. Doch kann man überhaupt wegen eines zu Unrecht verdächtigten Ladendiebstahls Schmerzensgeld verlangen?
Kann man wegen der falschen Verdächtigung des Ladendiebstahls Schmerzensgeld verlangen?
Wer zur Unrecht eines Ladendiebstahls durch einen Ladendetektiv verdächtigt wird, wird in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Zudem kann eine Verletzung des Freiheitsrechts hinzutreten, wenn der falsch Verdächtigte festgehalten wird. Diese Rechtsverletzungen können grundsätzlich einen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 823 BGB begründen. So hat das Landgericht Koblenz im Jahr 1987 der Kundin eines Warenhauses wegen einer Falschverdächtigung ein Schmerzensgeld von 1.000 DM zugesprochen (Landgericht Koblenz, Urteil vom 27.01.1987, Az. 6 S 212/86). Das Amtsgericht Essen sprach im Jahr 1979 einer älteren, herzkranken Frau ein Schmerzensgeld von 250 DM zu, nachdem sie aufgrund einer Falschverdächtigung einen Weinkrampf erlitt. Das Gericht wertete den Weinkrampf als Körperverletzung (Amtsgericht Essen, Urteil vom 12.11.1979, Az. 21 C 445/79).
Gibt es aber gewichtige Anhaltspunkte für einen Diebstahlsverdacht und wird dieser Verdacht nicht in der Öffentlichkeit bzw. gegenüber unbeteiligten Dritten geäußert, besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld (Oberlandesgericht Koblenz, Hinweisverfügung vom 22.12.2011, Az. 5 U 1348/11 und Landgericht Coburg, Beschluss vom 17.08.2005, Az. 33 S 56/05). Denn in einem solchen Fall liegt keine so schwere Persönlichkeitsverletzung vor, dass dies durch Zahlung eines Schmerzensgelds ausgeglichen werden muss (Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 24.03.1986, Az. 13 U 149/85).
Besteht ein Schmerzensgeldanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung?
Anders liegt der Fall, wenn die zu Unrecht verdächtigte Person festgehalten wird. So wurde die Kundin eines Kaufhauses in einem Fall vor dem Amtsgericht Osnabrück im Jahr 1988 zu Unrecht eines Diebstahls bezichtigt und bis zum Eintreffen der Polizei in einem Büro festgehalten. Die darin liegende rechtswidrige Freiheitsentziehung habe ein Schmerzensgeld begründet. Da die Frau etwa eine Stunde festgehalten wurde, hielt das Gericht ein Schmerzensgeld von 250 DM (etwa 125 €) für angemessen (Amtsgericht Osnabrück, Urteil vom 21.11.1988, Az. 40 C 269/88, ähnlich gelagert: Amtsgericht Regensburg, Urteil vom 05.02.1999, Az. 9 C 2783/98).
Die Entscheidung des Gerichts beruht jedoch auf die irrige Annahme, dass die Berechtigung zur Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO einen tatsächlichen Tatverdacht voraussetzt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für das Jedermann-Festnahmerecht ein dringender Tatverdacht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.11.1980, Az. VI ZR 151/78). Der Entscheidung dürfte daher nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden. Jedoch bleibt festzuhalten, dass eine rechtswidrige Freiheitsentziehung durchaus ein Schmerzensgeldanspruch begründen kann.
Diese Rechtsfrage wurde aktualisiert. Das Neueste aus dem Schadenersatzrecht.
- Diebstahl
- Diebstahlsverdacht
- Diebstahlsvorwurf
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- Ladendiebstahl
- Schmerzensgeld
Der Vollständigkeit halber sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass das "Jedermann-Festnahmerecht" ein sehr heißes Eisen ist. Wird nämlich jemand zu Unrecht festgehalten, so steht ihm dagegen ein Notwehrrecht zur Verfügung – und zwar unabhängig davon, ob der Festnehmende in gutem Glauben handelt.
1988 waren 250 DM keine 125 Euro, würde da so eher 500 Euro sagen.
Die Entscheidung gibt zur Beurteilung der Sachlage zu wenig her, denn es ist nicht dargestellt woraus sich der Dringende Tatverdacht i.S. der BGH Rechtsprechung ergeben soll. Dort wurde der Täter auf frischer Tat angetroffen und es konnte ihm zumindest der Vorwurf der versuchten Straftat gemacht werden.