Abgemahnt vom Arbeitgeber: Was kann man gegen eine Abmahnung vom Chef tun?Was Sie zur arbeitsrechtlichen Abmahnung wissen sollten
Leider kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmer von ihrem Chef abgemahnt werden. Dabei gibt es berechtigte und unberechtigte Abmahnungen. Was kann man als Arbeitnehmer tun, wenn man eine Abmahnung erhalten hat?
Die Abmahnung kann der erste Schritt zu einer Kündigung sein. Häufige Gründe für Abmahnungen sind zum Beispiel Unpünktlichkeit, Beleidigungen von Kollegen oder Kunden, Mobbing, ungenügende Arbeitsleistung oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Was ist eine arbeitsrechtliche Abmahnung?
Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise konkrete Leistungs- oder Verhaltensmängel beanstandet und damit den eindeutigen Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis gefährdet ist. Die Abmahnung hat mehrere Funktionen: Der Arbeitnehmer wird auf das Fehlverhalten hingewiesen und dieses wird dokumentiert. Ferner erfüllt die Abmahnung eine Warn- und Ankündigungsfunktion. Der Arbeitnehmer wird gewarnt, dass im Wiederholungsfall eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses droht. Kommt es nach der Abmahnung also zu einem weiteren vergleichbaren und gleichartigen Fehlverhalten, so kann dies unter Umständen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
Bei Abmahnung zunächst Ruhe bewahren
Eine Abmahnung muss erst mal verarbeitet werden. Oft fühlen sich Arbeitnehmer, die eine Abmahnung erhalten haben zu Unrecht behandelt. Wer abgemahnt wurde, sollte sich zuerst ganz ruhig überlegen, ob die Abmahnung nicht zu Recht ausgesprochen wurde. Fühlt man sich nach gründlicher Überlegung ungerecht behandelt, dann sollte man sich gegen die Abmahnung zur Wehr setzen.
Nicht verbal ausfällig werden!
Sich gegen eine Abmahnung wehren, bedeutet aber nicht, dass man gegenüber seinem Chef ausfällig wird. Das würde die ganze Angelegenheit nur viel schlimmer machen. Es heißt: Ruhe bewahren!
Schriftliche Gegendarstellung
Der Abgemahnte hat die Möglichkeit in einer schriftlichen Gegendarstellung zu erläutern, warum er die Abmahnung für unbegründet hält. Er kann in der schriftlichen Gegendarstellung seine Sicht der Dinge darlegen. Hilfreich kann es sein, vor Erstellung der schriftlichen Gegendarstellung Einsicht in die Personalakte zu nehmen. So kann man den vorgeworfenen Sachverhalt besser und genauer ermitteln und adäquater zu dem Vorwurf Stellung nehmen.
Schriftliche Gegendarstellung in die Personalakte
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die schriftliche Gegendarstellung des Arbeitnehmers zur Personalakte zu nehmen. Auch wenn der Arbeitgeber meint, der Inhalt der schriftlichen Gegendarstellung sei falsch oder unvollständig ist er verpflichtet, die Gegendarstellung der Personalakte beizufügen.
Der Arbeitgeber darf die schriftliche Gegendarstellung nur dann wieder aus der Personalakte entfernen, wenn er auch die entsprechende Abmahnung beseitigt.
Beschwerde beim Betriebsrat
Gibt es in dem Unternehmen, in dem der abgemahnte Arbeitnehmer arbeitet, einen Betriebsrat, dann kann der Arbeitnehmer auch Beschwerde beim Betriebsrat einreichen. Der Betriebsrat kann versuchen, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vermitteln und die Wogen zu glätten. Ein Mitspracherecht hat der Betriebsrat vor Ausspruch der Abmahnung allerdings nicht.
Vor dem Arbeitsgericht auf Entfernung der Abmahnung klagen
Schließlich hat der Arbeitnehmer noch die Möglichkeit, sich gerichtlich gegen die Abmahnung zu wehren. Er kann vor dem Arbeitsgericht klagen. Ziel einer solchen Klage ist die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Löschungsanspruch besteht, wenn die Abmahnung unberechtigt ist. Dies kann bereits aus formalen Gründen der Fall sein, etwa wenn die Abmahnung sich nicht auf ein ganz konkretes Verhalten bzw. einen konkret benannten Vorfall bezieht, sondern als allgemeine Warnung bzw. aus allgemeiner Unzufriedenheit mit dem Arbeitnehmer heraus ausgesprochen wurde.
Abmahnung muss sich auf konkrete Pflichtverletzung beziehen
So hat das Arbeitsgericht Bochum in einem Fall den Löschungsanspruch eines Arbeitnehmers bejaht, der sich gegen eine Abmahnung gewandt hatte, in der allgemein bei einer weiteren Pflichtverletzung mit der Kündigung gedroht worden war. Das Problem bei dieser Abmahnung: Der Arbeitgeber hatte nicht mit der Kündigung im Fall einer erneuten konkreten Pflichtverletzung, die abgemahnt wurde, gedroht, sondern die Kündigung bei jedweder künftiger Pflichtverletzung in Aussicht gestellt.
Dies, so das Arbeitsgericht, stellt aber eine „maßlose Kündigungsandrohung für den Fall jedweden Verstoßes“ gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Die Warnung mit der Kündigung sei nicht auf die Wiederholung der abmahnungsauslösenden Pflichtverletzung beschränkt, sondern „das Ergebnis einer bewussten, sorgfältigen und auf Gewinnung möglichst umfangreicher Rechte des Arbeitgebers“, und deshalb unwirksam (Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 19.10.2017, Az. 4 Ca 930/17).
Anspruch auf Löschung der Abmahnung auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses
Wenn ein Anspruch auf Entfernung bzw. Löschung der Abmahnung aus der Personalakte besteht, so kann dieser auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden. Dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zufolge besteht ferner ein Löschungsanspruch nach Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn die Abmahnung der Warnung des Arbeitnehmers vor den Konsequenzen bei erneuter Pflichtverletzung diente (Warnfunktion der Abmahnung). Denn mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt die Warnfunktion der Abmahnung (Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.11.2018, Az. 5 Sa 7/17).
Keine vorsorgliche Abmahnung durch Hinweis am schwarzen Brett oder in AGB des Arbeitsvertrags
Eine Abmahnung muss im konkreten Einzelfall gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen werden. Nur so wird die Warnfunktion der Abmahnung, mit der der Arbeitnehmer vor der Kündigungsmöglichkeit im Wiederholungsfall gewarnt wird, erfüllt. Einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein zufolge reicht eine vorweggenommene Abmahnung durch Aushang am „Schwarzen Brett“ des Unternehmens, durch Rundschreiben oder durch eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag, in der darauf hingewiesen wird, dass ein bestimmtes Verhalten im Betrieb nicht geduldet wird, nicht aus.
Denn die vorweggenommene Abmahnung „enthält lediglich den generellen Hinweis des Arbeitgebers, dass bestimmte, in der Regel genau bezeichnete Pflichtverletzungen“ zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung führen können. Die von einer solchen vorweggenommenen Abmahnung ausgehende Warn- und Hinweisfunktion, so das Gericht, ist jedoch nicht vergleichbar mit derjenigen bei einer konkreten förmlichen Abmahnung (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.06.2017, Az. 5 Sa 5/17).
Dies wird auch daran deutlich, dass mit fortschreitendem Zeitablauf die Warnfunktion einer Abmahnung an Gewicht verliert, so dass nach längerer Zeit unter Umständen eine erneute Abmahnung erforderlich ist, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.11.2016, Az. 10 AZR 569/15).
Welche Schritte auf eine Abmahnung hin angebracht sind, und welche nicht, ist in jedem Einzelfall fachkundig zu überprüfen. Ob eine schriftliche Gegendarstellung, eine Beschwerde beim Betriebsrat oder eine Klage auf Entfernung aus der Personalakte angebracht ist, kann nicht pauschal beantwortet werden.
Allerdings ist es in den allermeisten Fällen nicht anzuraten, gar nichts zu unternehmen: Denn dann ist im Falle einer erneuten Abmahnung in der Regel sehr viel eher damit zu rechnen, dass eine Kündigung des Arbeitgebers durchgeht und dass eine Kündigungsschutzklage ins Leere läuft.
Wer keine begründete Gegendarstellung zur Personalakte reicht, muss sich unter Umständen entgegenhalten lassen, dass er den vorgeworfenen Sachverhalt eingesteht.
Und wer nicht klagt, obwohl eine Klage geboten wäre, stellt sich möglicherweise als „leichterer“ Gegner dar, der im Falle mehrerer Kündigungskandidaten vom Arbeitgeber zuerst gekündigt wird.
Der Arbeitgeber trägt zwar die Beweislast dafür, dass eine Abmahnung berechtigt war. Er dokumentiert aber in aller Regel auch die Umstände (einschließlich etwaiger Zeugenaussagen) besser, als der Arbeitnehmer.
Natürlich kann es im Einzelfall auch anzuraten sein, lediglich kurz und bündig zu erklären: „Die Abmahnung ist falsch und unberechtigt.“ Dabei sollten aber alle Umstände des jeweiligen Falls berücksichtigt werden und nicht nur darauf gehofft werden, dass der Arbeitgeber in nächster Zeit keinen neuen Abmahngrund findet.
Pauschale Tipps gibt es leider nicht. Statt dessen ist eine fachkundige rechtliche Überprüfung zu empfehlen. Arbeitgeber lassen sich bei Abmahnungen übrigens in aller Regel auch rechtsanwaltlich beraten.