Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung: Wann kann sich eine Fluggesellschaft auf außergewöhnliche Umstände berufen?
Nach Art. 5 Abs. 3 der EU-Fluggastrechteverordnung muss eine Fluggesellschaft dann keine Entschädigung aufgrund einer Flugannullierung oder -verspätung zahlen, wenn sie nachweisen kann, dass die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Doch wann liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor?
Wann kann sich eine Fluggesellschaft auf außergewöhnliche Umstände berufen?
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bedeute der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, dass die gegebenenfalls zu einem Ausschluss der Entschädigung führenden Umstände nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden sei oder verbunden sein könne. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als in der Regel von außen kommende besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2013, Az. X ZR 160/12 und X ZR 129/12).
In folgenden Fällen konnte sich eine Fluggesellschaft nach Ansicht des jeweiligen Gerichts auf außergewöhnliche Umstände berufen:
wetterbedingte Unmöglichkeit der Landung (Landgericht Darmstadt, Urteil vom 19.08.2015, Az. 7 S 52/15)
medizinischer Notfall an Bord (Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.08.2015, Az. 40 C 287/15)
Zwischenlandung des Vorflugs aufgrund medizinischen Notfalls (Amtsgericht Rüsselsheim, Urteil vom 11.04.2015, Az. 3 C 2273/13 (33))
Triebwerksschaden und dadurch bedingte Notlandung durch Vogelschlag (Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.09.2014, Az. X ZR 102/13 und Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2013, Az. X ZR 160/12 und X ZR 129/12)
Zwischenlandung des Vorflugs aufgrund randalierenden Passagiers (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.11.2014, Az. 30 C 1066/14 (32))
Luftraumsperrung infolge Vulkanausbruchs (Amtsgericht Köln, Urteil vom 18.05.2011, Az. 132 C 314/10)
Dagegen habe die Gerichte in folgenden Fällen das Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen verneint:
Umleitung des Vorflugs aufgrund Wetterbedingung (Amtsgericht Hannover, Urteil vom 01.07.2014, Az. 538 C 11519/13 und 565 C 850/14)
fehlende Enteisung des Flugzeugs (Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 19.11.2013, Az. 2 U 3/13 und Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.05.2015, Az. 29 C 286/15 (85))
durch Caterer verursachter Brand im Flugzeug (Amtsgericht Köln, Urteil vom 12.05.2014, Az. 142 C 600/13)
Triebwerksschaden bei einem Flugzeug aufgrund versteckten Fabrikationsfehlers (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.10.2013, Az. 30 C 1848/12 (47))
Umorganisation des Flugplans infolge Blitzeinschlags beim Vorflug (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.12.2015, Az. 29 C 3128/14 (21)) oder wegen Streiks (Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.10.2015, Az. 2-24 S 68/15)
befürchteter Streik (Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 04.10.2013, Az. 20a C 206/12)
durch defekte Toilette überschwemmtes Flugzeug (Landgericht Darmstadt, Urteil vom 16.06.2010, Az. 7 S 200/08)
Unpünktlichkeit des Co-Piloten aufgrund Schneechaos (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.11.2013, Az. 32 C 1488/13 (41))