Widerruf, Rücktrittsrecht und Anfechtung beim Aufhebungsvertrag05.06.2024

Kann ich einen Aufhebungsvertrag widerrufen?Über den Aufhebungsvertrag bzw. Auflösungsvertrag - Neben dem Widerruf gibt es noch den Rücktritt und die Anfechtung

Mit einem Aufhebungsvertrag beabsichtigen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Wer als Arbeitnehmer zu schnell einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat, fragt sich, ob er den Aufhebungsvertrag rückgängig machen kann? Rechtlich spricht man vom Widerruf des Aufhebungsvertrags. In dem folgenden Text gehen wir der Frage nach, wann man einen Aufhebungsvertrag widerrufen kann. Der Aufhebungsvertrag wird manchmal auch als Auflösungsvertrag bezeichnet. Gemeint ist also das Gleiche.

Anstelle einer einseitigen Kündigung können Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch einen beidseitigen Aufhebungsvertrag einvernehmlich beenden. Zur Vermeidung langer Kündigungsfristen und Rechtsstreitigkeiten um Job und Geld können sie einen Aufhebungsvertrag vereinbaren, in dem sie sich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen und über alle mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergehenden regelungsbedürftigen Modalitäten verständigen. Meistens wird in diesem Rahmen auch die Zahlung einer Abfindung vereinbart. Mit einem Aufhebungsvertrag kann aber unter Umständen der Kündigungsschutz zum Nachteil des Arbeitnehmers umgangen werden.

Denn sobald beide Seiten ihn unterschrieben haben, stellt der Aufhebungsvertrag, die (in der Regel) wirksame und unwiderrufliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Anders als bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber kann Aufhebungsverträgen nicht einfach vor dem Arbeitsgericht mit einer Schutzklage begegnet werden. Mit dem Aufhebungsvertrag erklärt sich der Arbeitnehmer bereit, freiwillig das Unternehmen zu verlassen. Der Arbeitgeber benötigt dann keinen Kündigungsgrund mehr, um sich von dem Arbeitnehmer zu trennen.

Kann dann einer der Vertragspartner einen Aufhebungsvertrag widerrufen, wenn er nicht mehr an ihn gebunden sein möchte?

Kurze Antwort:  Nur, wenn dies vertraglich ausdrücklich vereinbart wurde.

Aber vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten, sich vom Aufhebungsvertrag zu lösen.

1) Form- und Inhaltserfordernisse des Aufhebungsvertrags

Ein Aufhebungsvertrag, auch Auflösungsvertrag genannt, muss natürlich zunächst wirksam abgeschlossen werden. Dazu sind bestimmte Formalien einzuhalten. Sind diese nicht erfüllt, ist der Vertrag ungültig.

a) Schriftform

Für Aufhebungsverträge gilt das gesetzliche Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB. Schriftform bedeutet, der Aufhebungsvertrag muss auf einem Schriftstück mit eigenhändiger Unterschrift (oder notariell beglaubigtem Handzeichen) beider Parteien festgehalten werden, d.h. nicht mündlich oder (noch) nicht per E-Mail, Messenger, etc. Sonst ist der Aufhebungsvertrag ungültig.

b) Bestimmtheit

Der Aufhebungsvertrag muss zudem ausreichend bestimmt sein. Dazu gehört neben der klaren und eindeutigen Bezeichnung der Vertragspartner der genaue Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll.

Auch andere Modalitäten der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses, wie Abgeltung der geleisteten Überstunden, Resturlaub, Zeugnis und gegebenenfalls eine Abfindung können im Aufhebungsvertrag geregelt werden. Dabei kann und sollte auch geregelt werden, wann diese Leistungen fällig sind.

c) Frist

Eine Kündigungsfrist muss bei einem Aufhebungsvertrag gerade nicht eingehalten werden. Allerdings droht dem Arbeitnehmer eine Sperrzeit von regelmäßig 12 Wochen beim Arbeitslosengeld, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist erfolgt. Das bedeutet, das Arbeitslosengeld wird für die Dauer der Sperrzeit nicht ausgezahlt. Bei einer Sperrzeit wird das Arbeitslosengeld auch nicht nachgezahlt. Der Anspruch verringert sich.

Denn die „Arbeitsaufgabe“ wird als „versicherungswidrig“ eingestuft. Wenn allerdings ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe durch Abschluss eines Auflösungsvertrages besteht, kann von der Sperrzeit abgesehen werden. Dies wäre beispielsweise denkbar, wenn es ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrages sicher zu einer betriebsbedingten Kündigung gekommen wäre.

Aber selbst dann ist folgendes zu bedenken:

Wird im Rahmen des Auflösungsvertrages eine Abfindung gezahlt und besteht das Arbeitsverhältnis nicht bis zum Ende einer fiktiven Kündigungsfrist fort, kann die Zahlung des Arbeitslosengeldes ruhen. Das bedeutet, das Arbeitslosengeld wird bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung einer Kündigungsfrist geendet hätte, nicht ausgezahlt. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird aber nicht verringert, er wird nur verschoben.

2) Widerrufsrecht beim Aufhebungsvertrag

Widerruf bedeutet, sich ohne Angabe von Gründen durch einfache Erklärung wieder von einem Vertrag lösen zu können.

Grundsätzlich gibt es bei Aufhebungsverträgen kein gesetzliches „Widerrufsrecht“ wie etwa im Verbraucherschutzrecht im Falle von „Haustürgeschäften“.

So auch dann nicht, wenn der Aufhebungsvertrag nicht in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers sondern beim Arbeitnehmer zu Hause geschlossen wird.

So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Aufhebungsverträge nicht nach §§ 312 ff BGB wie ein „Haustürgeschäft“ widerrufen werden können. Denn:

Der Anwendungsbereich für diese Vorschriften sei gemäß § 312 Abs. 1 BGB nicht eröffnet. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, ein Verbrauchervertrag liege nur vor, wenn sich ein Unternehmer zur Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung und der Verbraucher zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet. Den §§ 312 ff BGB sei kein Bezug zu arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen zu entnehmen. (BAG, Urteil vom 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18)

Auch sind Aufhebungsverträge nicht im Rahmen eines Betriebsüberganges per Gesetz unwirksam, wie es bei Kündigungen nach § 613a Abs. 4 BGB der Fall ist.

Es kann aber ein vertragliches Widerrufsrecht in einem Tarifvertrag oder im Aufhebungsvertrag selbst vereinbart werden.

Wenn kein vertragliches Widerrufsrecht vereinbart wurde, kann man sich aber eventuell durch einen Rücktritt oder eine Anfechtung vom Aufhebungsvertrag lösen.

3) Rücktrittsrecht

„Ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich von einer Aufhebungsvereinbarung gemäß 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung zurücktreten.“ (ArbG Solingen, Urteil vom 3. November 2016 – 3 Ca 1177/16 lev – mit weiterem Nachweis BAG – 6 AZR 357/2–)

a) durchsetzbar

Ein Rücktrittsrecht kann einem Vertragspartner, einfach ausgedrückt, dann zustehen, wenn der andere Vertragspartner seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht vertragsgemäß nachkommt. Dazu muss eine Leistungspflicht fällig und die Leistung muss „leistbar“ mit anderen Worten durchsetzbar sein.

Insofern ist es wichtig, ob für die Zahlung einer Abfindung oder die Erteilung eines Arbeitszeugnisses eine Frist vereinbart wurde, also klar ist, bis wann der Arbeitgeber leisten muss.

Denn:

Eine das Rücktrittsrecht begründende Verletzung der Leistungspflicht i.S.v. § 323 Abs 1 BGB ist ausgeschlossen, wenn der Schuldner gar nicht leisten muss oder gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist.“ (BAG, Urteil vom 11. Juli 2012 – 2 AZR 42/11 –)

Nicht durchsetzbar wäre beispielsweise eine Abfindungszahlung, wenn zwischenzeitlich Insolvenz eröffnet wäre. Dann könnte der Arbeitnehmer nämlich nicht mehr auf Zahlung der Abfindung klagen, sondern nur die Feststellung seiner Forderung zur Insolvenztabelle verlangen. Dann bestünde für den Arbeitgeber keine durchsetzbare Leistungspflicht gegen die er verstoßen hätte und ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB wäre nicht gegeben.

b) nicht ausgeschlossen

Allerdings kann ein Rücktrittsrecht ausgeschlossen werden. Dies könnte im Aufhebungsvertrags selbst erfolgen, denn das Rücktrittsrecht ist dispositiv. Das heißt, man darf es vertraglich ausschließen.

Das Rücktrittsrecht kann auch aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage, beispielsweise bei einer unvorhergesehenen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Abschluss des Auflösungsvertrages aber vor vereinbarter Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen sein.

Oder die Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages könnte auch durch eine fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages in dieser Zeit wegfallen. Denn dann wäre das dem Auflösungsvertrag zugrundeliegende Arbeitsverhältnis ja bereits ab dem Kündigungszeitpunkt beendet.

Natürlich könnte dann dagegen aber – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – eine Kündigungsschutzklage eingelegt werden.

4) Anfechtung eines Aufhebungsvertrags

Möglicherweise lässt sich der Vertrag auch anfechten.

a) Irrtum

Denkbar ist eine Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 BGB. Etwa, wenn der Arbeitnehmer sich gar nicht bewusst war, dass er einen Vertrag unterschreibt. Oder wenn der Vertragspartner sich über wesentliche Eigenschaften des Vertragsgegenstandes irren.

Die Anfechtung wegen eines Irrtums müsste allerdings unverzüglich nach Kenntniserlangung des Irrtums erfolgen.

b) arglistige Täuschung

Eine Anfechtung ist auch wegen einer arglistigen Täuschung § 123 BGB möglich, wenn mittels einer Täuschung oder Drohung der Vertragsabschluss erwirkt wurde. Zur Anfechtung hat der Vertragspartner ab Kenntnis der Täuschung oder Drohung 1 Jahr Zeit.

Täuschung

Beispielsweise, wenn der Arbeitgeber wahrheitswidrig behauptet, die Stelle des Arbeitnehmers würde abgebaut werden und es bestünde keine Versetzungsmöglichkeit. Die einzige Möglichkeit, einer Kündigung zuvorzukommen sei, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Lässt sich beweisen, dass diese Behauptung nicht stimmt, kann der Aufhebungsvertrag angefochten werden.

Drohung

Im Falle einer Drohung mit einer Kündigung oder einer Strafanzeige, muss aber auch beachtet werden, dass diese widerrechtlich sein muss, damit ein Anfechtungsgrund vorliegt. Wird durch den Arbeitgeber also beispielsweise eine Kündigung androht, falls nicht der Aufhebungsvertrag unterschrieben würde, muss untersucht werden, ob objektiv ein Kündigungsgrund vorliegt, mit dem auch ein unbeteiligter, objektiver “verständiger“  Arbeitgeber den Arbeitsvertrag hätte kündigen können. Mit einer grundsätzlich zulässigen Kündigung darf der Arbeitgeber drohen. Läge dagegen  objektiv kein Kündigungsgrund vor, wäre eine Drohung widerrechtlich und der Aufhebungsvertrag könnte angefochten werden.

c) Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns

Bei Aufhebungsverträgen gilt es, das Gebot des fairen Verhandelns zu beachten. Dieses ergibt sich aus den Grundsätzen gemäß § 241 Abs. 2 BGB, dass Vertragspartner auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Anderen Rücksicht nehmen müssen.

So entschied auch das Bundesarbeitsgericht:

„Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt.“

„Liegt ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 241 Abs. 2 BGB vor, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam.“

„Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird.“ (BAG Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 –)

Das könne der nach dem Bundesarbeitsgericht der Fall sein, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.

Beispiele dafür sind:

  • Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder den Fluchtinstinkt wecken
  • Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche
  • Ausnutzung unzureichender Sprachkenntnisse
  • Nutzung eines Überraschungsmoments (Überrumpelung)

Letztlich kommt es aber auf die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall an, ob ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen wurde oder der Vertragspartner lediglich vertragsreuig geworden ist.

Tipp: Lesen Sie meinen ausführlichen Ratgeber zum Aufhebungsvertrag auf ihr-arbeitsrecht.de

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