Kann mir mein Arbeitgeber während meines Urlaubs kündigen?Zur Kündigung eines Arbeitsverhältnis während der Arbeitnehmende im Urlaub ist
Ziemlich unfair erscheint es, wenn ein Arbeitgebender einem Arbeitnehmenden während des Urlaubs kündigt. Möglicherweise liegt der Arbeitnehmende gerade am Strand in der Sonne und wird nach der Rückkehr aus dem wohlverdienten Jahresurlaub von der Kündigung überrascht. Ist dies überhaupt zulässig und was muss dabei beachtet werden?
Auch wenn es nicht besonders fair erscheint: Eine Kündigung ist nicht unwirksam, wenn sie einem Arbeitnehmer rechtmäßig zugeht, während dieser im Urlaub ist. Es kommt vielmehr entscheidend auf den Zugang der Kündigungsschrift an. Denn eine Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung.
Zugang ist entscheidend
Zugang ist dann erfolgt, wenn die Willenserklärung in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist, der Empfänger also die Möglichkeit hat, unter normalen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen zu können. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Erklärung in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen wurde. Es wird üblicherweise davon ausgegangen, dass Bedienstete der Deutschen Post AG Briefe zu den postüblichen Zeiten zustellen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2024 – 2 AZR 213/23 –) und der Empfänger ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.
Dann ist es unerheblich, ob und wann der Arbeitnehmer die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war.
Wirksamer Zugang der Kündigung auch, wenn der Arbeitgeber vom Urlaub weiß
Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß (BAG, Urteil vom 22. März 2012 – 2 AZR 224/11 –; BAG, Urteil vom 24. 6. 2004 – 2 AZR 461/03).
Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage
Wenn ein Kündigungsschreiben zugegangen ist, hat der Arbeitnehmer drei Wochen Zeit, dagegen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben.
Unabhängig davon, ob eine Kündigung einen zulässigen Kündigungsgrund hat und gegebenenfalls andere Formalien eingehalten wurden, ist eine Kündigung rechtmäßig, wenn sie ordnungsgemäß beim Empfänger zugegangen ist und dann innerhalb von 3 Wochen keine Kündigungsschutzklage eingereicht wird, egal wie viele Fehler gemacht wurden.
Es kann also passieren, dass ein Arbeitnehmer wegen seiner urlaubsbedingten Abwesenheit die dreiwöchige Kündigungsfrist versäumt.
Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage
Der Arbeitnehmer kann aber ausnahmsweise noch eine kleine Chance haben, dass die Kündigungsschutzklage doch noch nachträglich durch das Arbeitsgericht zugelassen wird, wenn er glaubhaft darlegen und beweisen kann, dass er unverschuldet daran gehindert war, die Kündigungsschutzklage rechtzeitig einzulegen.
Wenn der Arbeitnehmer nichtsahnend in einen zweiwöchigen Urlaub gefahren ist und bei seiner Rückkehr erst von der Kündigung tatsächlich Kenntnis erlangt, nehmen Arbeitsgerichten oft an, dass die Fristversäumnis unverschuldet ist. (So beispielsweise Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 11. Mai 2015 – 4 Ta 19/15 (6); Landesarbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 23. 8. 2001 – 7 Ta 1587/01)
Wusste der Arbeitnehmer aber, dass ihm eine Kündigung drohen könnte oder ist er sehr lange im Urlaub ( länger als 6 Wochen), muss der Arbeitnehmer durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass er zeitnah von einem Kündigungsschreiben Kenntnis erlangen kann, wenn er keine Fristversäumnis riskieren und verschulden will. (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 493/17)
Die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage wird von den Arbeitsgerichten immer sehr gründlich im Einzelfall geprüft und stellt einen Ausnahmefall dar.
Erlangt ein Arbeitnehmer im Urlaub tatsächlich Kenntnis davon, dass ihm eine Kündigung zugestellt wurde, sollte er sich daher nicht darauf verlassen, dass ein Versäumen der Drei-Wochen-Frist von den Arbeitsgerichten als unverschuldet angesehen wird. Vielmehr wäre es ratsam, fernmündlich oder per E-Mail einen Rechtsanwalt mit der Einlegung einer Kündigungsschutzklage zu beauftragen, sofern dies im Rahmen der technischen Möglichkeiten liegt.
Mehr zur Kündigung während des Urlaubs können Sie unter www.ihr-arbeitsrecht.de/kuendigung-im-urlaub lesen.
Refrago dankt Herrn Rechtsanwalt Jan Böhm für die Beantwortung dieser Rechtsfrage.