Jahresurlaub26.07.2024

Krank im Urlaub: Was passiert, wenn man als Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs krank wird, verfallen dann die Urlaubstage oder hat man Anspruch auf neuen Urlaub?Krankmelden und Attest zuschicken

Da hat man sich solange auf den schönen Urlaub gefreut und nun ist man krank. Wie sieht es rechtlich aus, wenn Arbeitnehmende während ihres Erholungsurlaubs krank werden? Hat man Anspruch auf neuen Urlaub?

Nicht wenige Arbeitnehmer freuen sich alljährlich auf ihren wohlverdienten Jahresurlaub. Egal, ob am Strand, in den Bergen oder in der Stadt, Hauptsache der Urlaub dient der Erholung. Doch umso bitterer ist es, wenn man während des Urlaubs krank wird. Da hat man sich auf ein paar erholsame Tage eingestellt und muss sich nunmehr mit Grippe oder Beinbruch herumschlagen. Die Verärgerung ist dementsprechend groß und es stellt sich die berechtigte Frage, was passiert nun eigentlich mit den Urlaubstagen, die man nicht richtig genießen kann. Hat man als Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber Anspruch auf neuen Urlaub?

Was kann ein Arbeitnehmer bei Krankheit im Urlaub machen?

Urlaub dient der Erholung der Arbeitnehmer – und nicht dem Auskurieren von Krankheiten. Gerade im Urlaub ist aber mancher besonders anfällig für Erkrankungen.

Wer während der Urlaubstage krank wird, muss sich aber nicht allzu viele Gedanken über vertane Urlaubszeit machen. Denn nach § 9 des Bundesurlaubsgesetzes werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet, wenn ein Arbeitnehmer während des bereits genehmigten Urlaubs erkrankt und diese Erkrankung unverzüglich dem Arbeitgeber meldet. Dann verfallen die genommenen Urlaubstage nicht, sondern bleiben in Höhe der Krankheitstage bestehen. Sie können daher neu genommen und gewährt werden.

Auch Urlaubstage in Quarantänezeit zählten als Urlaub

In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich in einem Fall aus dem Jahr 2020 entschieden, in dem es um die Frage ging,  ob bereits bewilligter Urlaub, der zeitlich mit  einer nachträglich angeordneten Quarantäne zusammenfällt, dem Urlaubskonto wieder gutgeschrieben werden muss, wenn es keine anderslautende gesetzliche Regelung gibt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.05.2024 – 9 AZR 76/22 –)

Was war passiert?

Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte im Oktober 2020 acht Tage Erholungsurlaub. Per Bescheid ordnete die zuständige Behörde später die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für einen  bestimmten Zeitraum an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Der Kläger selbst war aber nicht erkrankt. Die Zeiten des Urlaubs und der Quarantäne überschnitten sich zufällig. Für die Zeit der Quarantäne war es dem Kläger untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Die Beklagte rechnete die gewährten Urlaubstage auf das Urlaubskonto des Klägers an.

Der Kläger war aber der Ansicht, dass die Quarantänesituation mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar sei und ihm die während der Quarantäne angerechneten Urlaubstage nachgewährt werden müssten. Er reichte Klage ein. Das Arbeitsgericht Hagen (2 Ca 2784/20) wies seine Klage ab, das Landesarbeitsgericht Hamm (5 Sa 1030/21) gab ihr statt.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes auf Grundlage einer EuGH-Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision dagegen zurück. Damit folgte das BAG einer Entscheidung des EuGH in einem sehr ähnlich gelagerten Fall (EuGH, Urt. v. 14.12.2023, Az. C-206/22 Sparkasse Südpfalz). Dieser hatte entschieden, dass Arbeitgeber die Gewährung von Urlaub schulden, aber keinen Urlaubserfolg. Faktoren, die den Urlaub stören, lägen im Risikobereich der Arbeitnehmer. Eine Quarantänezeit sei anders zu bewerten als eine Krankheit. Während des Urlaubs solle man sich von der Arbeit erholen und einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit haben. Der  Verwirklichung dieses Erholungszweckes stehe ein Quarantänezeitraum nicht entgegen. Zwar dürfe der Arbeitgeber während des Urlaubs nicht in das freie und unterbrechungslose Nachgehen der Interessen der Arbeitnehmer durch Verpflichtungen eingreifen.  Etwaige Nachteile durch ein unvorhergesehenes Ereignis seien aber nicht vom Arbeitgeber auszugleichen.

Demensprechend sah es das BAG als mit dem EU-Recht vereinbar, Urlaub bei Überschneidung mit nachträglich angeordneter Quarantäne nicht nachzugewähren und wies die Revision zurück.

Nach neuem Infektionsschutzgesetz werden Tage der Absonderung nicht mehr auf den Jahresurlaub angerechnet

Das Bundesarbeitsgericht berücksichtigte auch, dass es für diese Konstellation mittlerweile mit § 59 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz eine gesetzliche Regelung gibt, nach der die Tage der Absonderung nicht mehr auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Diese Regelung trat aber erst am 17.09.2022 und damit nach dem streitgegenständlichen Zeitraum in Kraft. Sie gilt nicht rückwirkend. Daher konnte sie nicht berücksichtigt werden. Allerdings wird die Regelung für Fälle nach ihrem Inkrafttreten relevant sein.

Krankmelden und Attest zuschicken

Um die Eingangsfrage zu beantworten: Möchte der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch behalten und Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber erhalten, muss er diesem seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schnellst möglich mitteilen. Zudem sollte man einen Arzt aufsuchen und sich ein ärztliches Attest geben lassen. Dies kann auch ein Arzt am Urlaubsort sein. Es sollte nur darauf geachtet werden, dass durch das Attest die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird und der Zeitraum der Erkrankung zu entnehmen ist. Auch wenn es mittlerweile in Deutschland die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gibt, die sich der Arbeitgeber von der Krankenkasse besorgen muss, ist es immer ratsam, dem Arbeitgeber das Attest in Kopie zuzuschicken. Wer dies tut, ist auf der sicheren Seite.

Urlaubstage nicht einfach an die Krankheitstage anhängen

Das heißt jedoch nicht, dass sich der Urlaub automatisch um die Anzahl der Krankentage über den ursprünglich beantragten Zeitraum hinaus verlängert. Erfolgt die Gesundung erst nach dem ursprünglich beantragten Urlaubszeitraum, muss der Arbeitnehmer, sofern er noch Urlaub haben möchte, diesen neu beim Arbeitgeber beantragen.

Wir danken Herrn Rechtsanwalt Jan Böhm für diesen Fachbeitrag. Mehr Informationen zu Urlaub und Arbeitsrecht  finden Sie auf der Webseite von Rechtsanwalt Böhm: https://www.ihr-arbeitsrecht.de/urlaubsanspruch

 

 

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