Arzttermin04.10.2023

Termin versäumt - Muss ich für einen ver­passten Arzt­termin zahlen?Kann der Arzt Schadenersatz oder ein Ausfallhonorar verlangen?

Häufig vereinbaren Patienten und Patientinnen Arzttermine weit im Voraus. Dies birgt jedoch nicht nur das Risiko, den Termin zu vergessen, sondern auch, dass der vereinbarte Termin Monate später nicht mehr mit anderen Terminen übereinstimmt. Dürfen Arztpraxen ihren Patienten und Patientinnen eine Gebühr für versäumte Termine berechnen?

Es kommt immer wieder vor, dass Patienten ihre Arzttermine ohne Absage nicht wahrnehmen. Laut Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) schwankt der Anteil unentschuldigt nicht wahrgenommener Termine zwischen 5 und sogar 20 Prozent. Besonders in Bestellpraxen, die nur feste Termine vergeben, entsteht den Praxen laut KBV ein echter wirtschaftlicher Schaden durch versäumte Untersuchungen.

Ist es möglich, dass Ärzte von ihren Patienten ein Ausfallhonorar oder Schadensersatz verlangen, wenn ein vereinbarter Arzttermin nicht eingehalten wird?

Diese Frage wurde bereits von mehreren Gerichten behandelt. Ärzteverbände stellen regelmäßig Forderungen nach einer solchen Ausfallhonorar.

Was versteht man unter einem Ausfallhonorar?

Ein Ausfallhonorar stellt rechtlich einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Patienten dar. Dies setzt jedoch voraus, dass dem Arzt tatsächlich ein Schaden entstanden ist, beispielsweise in Form eines Verdienstausfalls. In vielen Fällen scheitert dies jedoch, da ein solcher Schaden nicht nachweisbar ist.

Kann der Arzt für den nicht wahrgenommenen Termin eine Rechnung schreiben?

Wenn ein Patient einen Arzttermin kurzfristig absagt oder vergisst, kann dies zu einem finanziellen Schaden für den Arzt führen. Immerhin hat der Arzt seine Arbeitszeit reserviert, während der Patient seinen Teil der Vereinbarung nicht erfüllt hat. Es ist auch möglich, dass Patienten Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn es zu langen Wartezeiten kommt. Es scheint daher verständlich, dass ein solcher Anspruch entsteht. Allerdings zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 17.04.2007, Az. 1 U 154/06), dass die Umsetzung in der Praxis nicht so einfach ist.

Wenn der behandelnde Arzt Schadensersatz für versäumten Termin verlangt

Gemäß dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart liegt in der reinen Terminvereinbarung in der Regel keine vertragliche Festlegung eines Behandlungstermins vor. Stattdessen soll sie lediglich einen zeitlich geordneten Ablauf der Behandlung gewährleisten. Bei einer reinen Terminvereinbarung fehlt es an einer rechtlichen Bindungsabsicht seitens der Ärzte und Patienten. Weder möchte der Patient sich verpflichten und ein Risiko eingehen, noch möchte der Arzt dem Patienten gegenüber haftbar gemacht werden, falls es zu erheblichen Verzögerungen kommt, die zu Einkommenseinbußen führen könnten. Darüber hinaus hat der Patient nach der Rechtsprechung ein Recht zur kurzfristigen Kündigung des Behandlungsvertrags, falls er sich gegen den Eingriff entscheidet.

Eine reine Bestellpraxis kann einen Anspruch auf Schadenersatz haben

In einer reinen Bestellpraxis kann die Situation jedoch anders aussehen. Wenn beispielsweise ein Orthopäde einen längeren Termin für einen Patienten plant, der Ultraschall, Röntgenaufnahmen und eine OP-Besprechung beinhaltet, oder wenn ein Arzt kleinere ambulante Eingriffe durchführt oder als Schmerztherapeut Patienten genau einbestellt oder ein Masseur eine Massage vorbereitet hat, kann es bei Terminausfällen häufig zu Leerzeiten im Wartezimmer kommen. In solchen Fällen muss der Arzt jedoch zunächst versuchen, die Zeit mit anderen Aufgaben zu überbrücken oder Patienten umzubestellen, wenn rechtzeitige Absagen vorliegen. Nur wenn diese Maßnahmen nicht möglich sind, kann überhaupt eine Ausfallentschädigung in Betracht gezogen werden.

Das Amtgericht München hat in einem Fall 2009 entschieden, dass ein Patient die Kosten für einen versäumten Massagetermin bezahlen muss (Amtsgericht München, Urteil vom 01.04.2009, Az. 163 C 33450/08).

In einer Hausarzt-, Kinderarzt- oder HNO-Praxis wird es dagegen schwierig sein, solche Ansprüche durchzusetzen, wenn ein Patient kurzfristig absagt. In der Regel ist das Wartezimmer gut gefüllt, und der Arzt kann oft einen anderen Patienten vorziehen. Wenn tatsächlich kein Patient mehr da ist, kann der Arzt in der Regel administrative Aufgaben erledigen. Außerdem wird vom Arzt erwartet, dass er bei rechtzeitigen Absagen andere Patienten kontaktiert und um eine Vorverlegung ihrer Termine bittet. Es wird daher schwierig sein, einen Schaden nachzuweisen.

Was sagt die Rechtsprechung zum Ausfallhonorar? Ein Überblick

Die Gerichte haben bisher äußerst unterschiedliche Urteile darüber gefällt, ob im Falle der Absage eines fest vereinbarten Behandlungstermins ein Anspruch auf Behandlungshonorar oder Schadensersatz besteht. Es wird dabei kontrovers über die Anwendbarkeit von Paragraf 615 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) diskutiert. Dieser Paragraf zur vertraglichen Haftung könnte so ausgelegt werden, dass Zahlungen geleistet werden müssen, wenn eine Behandlung vereinbart und dann vergessen oder versäumt wurde.

Im Jahr 2005 entschied das Landgericht Berlin (LG Berlin, Urteil vom 15,04.2005, Az. 55 S 310/04), dass ein allgemeines Ausfallhonorar, das in einem Anmeldeformular einer Zahnarztpraxis festgelegt wurde, nicht zulässig sei. In dem vorliegenden Fall ging es um eine Gebühr von 75 Euro, die die Praxis verlangte, wenn ein Patient einen Termin nicht mindestens 24 Stunden im Voraus absagte.

Das Amtsgericht Nettetal (Amtsgericht Nettetal, Urteil vom 12.09.2006, AZ: 17 C 71/03) entschied, dass ein Zahnarzt (in einer Bestellpraxis) Anspruch auf Honorar hat, auch wenn der Patient nicht zum vereinbarten Behandlungstermin erscheint. Der Behandlungsvertrag wird als Dienstvertrag betrachtet und der Patient wird gemäß § 615 BGB als in Annahmeverzug angesehen. Das Gericht zieht jedoch einen Teil des Honorars ab, da die Zeit für Verwaltungs- und Abrechnungstätigkeiten genutzt werden kann.

Das Amtsgericht Diepholz hatte hingegen eine andere Ansicht und fällte im Jahr 2011 ein Urteil (AG Diepholz, Urteil vom 26.06.2011, Az. 2 C 92/11), wonach eine Praxis unter bestimmten Umständen ein Ausfallhonorar für aufwendige Behandlungen verlangen könne, wenn der Patient nicht erscheint oder die Absage zu kurzfristig erfolgt. Dabei wurde betont, dass der Arzt den Schaden und das Honorar so gering wie möglich halten müsse.

Das  Amtsgericht Bremen (Amtsgericht Bremen, Urteil vom 09.02.2012, Az. 9 C 0566/11) vertrat das Gericht die Ansicht, dass Patienten abgesprochene Termine jederzeit und ohne negative Konsequenzen stornieren dürfen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Ausfallhonorar

Der Bundesgerichtshof stellt in seinem jüngsten Urteil vom 12.05.2022 (Az. III ZR 78/21) fest, dass eine schematische Betrachtungsweise unzulässig sei. Die Vereinbarung eines Behandlungstermins wird als Nebenabrede im Rahmen des Behandlungsvertrags betrachtet, bei deren Auslegung sämtliche Umstände zu berücksichtigen sind. Dazu zählen die Interessenlage der Parteien, die Organisation der Terminvergabe durch den Behandler und deren Erkennbarkeit für den Patienten.

Wie kann der Arzt einen versäumten Termin in Rechnung stellen?

Unabhängig davon, ob es sich um eine Bestellpraxis handelt oder nicht, ist es erforderlich, dass das Ausfallhonorar im Voraus schriftlich mit dem Patienten vereinbart und über das finanzielle Risiko aufgeklärt wird, wenn man es geltend machen möchte. Dies stellt eine weitere Hürde auf dem Weg zum Schadensersatz dar. Viele Ärzte haben mittlerweile entsprechende Vereinbarungen mit ihren Patienten getroffen, aber auch hier gibt es oft Stolpersteine im Detail. Eine Vereinbarung, die besagt, dass ein Ausfallhonorar von 75 € fällig wird, falls der Patient den Termin nicht mindestens 24 Stunden im Voraus absagt, wird laut Rechtsprechung als unwirksam angesehen.

Der Grund dafür liegt darin, dass solche Vereinbarungen von der Rechtsprechung in der Regel als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eingestuft werden und daher einer Inhaltskontrolle unterliegen. Eine Klausel, die wie im vorherigen Text formuliert ist, wird von der Rechtsprechung als unangemessen angesehen, da sie den Patienten in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt. Insbesondere hat der Patient keine Möglichkeit, die Zahlung des Ausfallhonorars zu verhindern, wenn er den Termin unverschuldet kurzfristig absagen muss, beispielsweise aufgrund einer Krankheit.

Um wirksam zu sein, müsste eine Vereinbarung den Zusatz enthalten, dass der Patient das Ausfallhonorar nicht bezahlen muss, wenn das Fernbleiben nachweislich unverschuldet erfolgt. In einem solchen Fall bleibt das Risiko des Honorarausfalls beim Arzt. Es ist auch wichtig, vorsichtig bei Terminverschiebungen zu sein: Wenn der Patient – auch kurzfristig – anruft und um eine Terminverschiebung bittet, entfallen Ersatzansprüche für den ursprünglich vereinbarten Termin, sobald ein neuer Termin vereinbart wurde.

Was muss der Arzt für einen Anspruch auf Schadenersatz nachweisen?

Basierend auf den bisherigen Urteilen ergeben sich tatsächlich weitere Voraussetzungen. Der Arzt ist verpflichtet, vor Gericht den Eintritt eines Schadens darzulegen und diesen auch zu beweisen. Ein ersatzfähiger Schaden für die Arztpraxis kann nur dann vorliegen, wenn der Arzt bei einer rechtzeitig abgesagten Terminvereinbarung einen anderen Patienten behandeln hätte können, den er aufgrund des Terminausfalls tatsächlich nicht behandeln konnte. Es muss also nachgewiesen werden, dass ein konkreter wirtschaftlicher Verlust entstanden ist. Die bloße Möglichkeit eines entgangenen Umsatzes reicht nicht aus, es muss eine nachvollziehbare Verbindung zwischen dem konkreten Terminausfall und einem nachweisbaren finanziellen Schaden hergestellt werden..

Wenn der Arzt nachweisen kann, dass er aufgrund des kurzfristig verpassten Arzttermins unnötigen Leerlauf hatte, kann der Patient tatsächlich für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden. In solchen Fällen hängt es laut dem Oberlandesgericht Stuttgart von den durchschnittlichen Stundenumsätzen der Arztpraxis ab, die auch das erstinstanzliche Landgericht berücksichtigt hatte. Es reicht jedoch nicht aus, dass der Arzt lediglich behauptet, dass die Absage die Behandlung anderer Patienten verhindert hat. Es muss ein konkreter Nachweis erbracht werden, dass der Terminausfall zu einem Verlust an Einnahmen geführt hat.

Arzt muss Schaden möglichst gering halten

Der Arzt oder die Ärztin muss bei einem Ausfallhonorar den Betrag anrechnen, den er oder sie durch den entfallenen Termin eingespart hat. Dies kann beispielsweise unverbrauchtes Material oder andere Kostenfaktoren umfassen. Darüber hinaus ist der Arzt oder die Ärztin verpflichtet, die frei gewordene Arbeitskraft anderweitig einzusetzen, zum Beispiel für andere Behandlungen oder Verwaltungstätigkeiten, um den entstandenen Schaden wirtschaftlich zu mindern. Es besteht eine Pflicht zur Schadensminderung, um einen angemessenen Ausgleich zu gewährleisten.

Was Verbraucher bei einer Terminabsage beachten sollten

Um Streitigkeiten zwischen der Praxis und dem Patienten oder der Patientin zu vermeiden, empfiehlt der Bundesverband der Verbraucherzentralen, Termine möglichst schriftlich abzusagen. Durch eine schriftliche Absage hat der Patient einen Nachweis dafür, dass es sich nicht um vergessene Termine handelt. Auf diese Weise können Missverständnisse vermieden und im Fall eines Ausfallhonorars oder anderer Ansprüche klare Dokumentationen vorgelegt werden. Es ist ratsam, eine schriftliche Absage per E-Mail, Brief oder durch andere geeignete schriftliche Kommunikationsmittel vorzunehmen.

Gesetzliche Krankenkassen sind gegen Schadenersatzzahlungen für ausgefallene Arzttermine

In den Vereinbarungen über Ärztevergütungen sind bereits Zeiten berücksichtigt, in denen Patienten nicht erscheinen. Dies bedeutet, dass Ärzte durch Ausfallgebühren nicht doppelt vergütet werden, so die Aussage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ähnliche Bedenken äußert auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Im Gegenzug erhalten Patienten keine Entschädigung für lange Wartezeiten trotz vereinbartem Termin. Es ist natürlich wichtig, termintreu zu sein, allerdings gilt dies für alle Beteiligten. Es sollte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Bedürfnissen der Patienten und den wirtschaftlichen Herausforderungen der Ärzte gefunden werden.

Fazit:

Es besteht nach wie vor Unsicherheit darüber, ob Ausfallgebühren rechtlich zulässig sind. Die Rechtslage zu diesem Thema ist derzeit nicht eindeutig und es existiert keine einheitliche juristische Linie, an der sich Gerichte in der Vergangenheit orientiert haben.

Lesen Sie hier mehr aktuelle Rechtsfragen zum Thema Arzttermin.

Quelle:refrago/pt
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