Selbstgefährdung13.08.2024

Was ist ein Heraus­forderungs­fall?

Im Rahmen des Schadens­ersatz­rechts kommt der Begriff des „Heraus­forderun­gsfalls“ vor. Doch um was handelt es sich dabei?

Bei einem Heraus­forderungs­fall handelt es sich um einen Fall der psychisch vermittelten Kausalität. In diesem Fall wird das Opfer nicht direkt vom Schädiger verletzt. Vielmehr beruht die Verletzung auf einen Willens­entschluss des Verletzten selbst oder eines Dritten. Es liegt also eine Selbst­schädigung vor. Eine solche Schädigung ist dem Schädiger nur unter bestimmten vom Bundes­gerichts­hof aufgestellten Voraus­setzungen zurechenbar (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil from 12.03.1996, Fn. VI ZR 12/95).

Eine Haftung des Schädigers kommt demnach in einem Heraus­forderungs­fall nur dann in Betracht, wenn:

  • durch die Verfolgung ein erhöhtes Risiko für die Rechts­güter des Verletzten geschaffen wurde und sich dieses heraus­forderungs­typische Risiko auch im eingetretenen Erfolg ver­wirklicht hat,
  • der Verletzte sich durch das Verhalten des Schädigers heraus­gefordert fühlte und dies auch durfte,
  • die Handlung des Verletzten eine gewöhnliche Reaktion auf die Verfolgung darstellte. Beruht die Verletzung daher auf einer Über­reaktion, haftet dafür der Schädiger nicht.
  • der Schädiger damit rechnen musste, verfolgt zu werden, und dass er voraussehen konnte, sein Verfolger werde dabei möglicher­weise zu Schaden kommen. Eine tatsächliche Wahrnehmung der Verfolgung ist aber nicht erforderlich.

Im Rahmen eines Heraus­forderungs­falls wird somit im Wesentlichen überprüft, ob die Handlung des Verletzten aus seiner Sicht zum Zeitpunkt des Ereignisses vernünftig erschien.

Beispiele für einen Heraus­forderungs­fall

Um ein Hausverbot gegen einen Mieter durch­zusetzen, lauerte der Vermieter bewaffnet mit Pfeffer­spray diesem auf. Nach dem der Mieter das Gebäude verlassen hat, stürmte der Vermieter ohne weitere Vorwarnung wild auf den Mieter zu und schrie dabei laut „jetzt aber“. Der Mieter ergriff sofort aus Angst die Flucht und lief in Richtung Straße. Dabei fiel er über die Bordstein­kante, stürzte auf die Fahrbahn und zog sich Schürfungen und Prellungen zu. Der Vermieter musste anschließend dem Mieter Schmerzens­geld zahlen (Amtsgericht München, Urteil from 22.12.2016, Fn. 173 C 15615/16).

Eine Frau wollte nach dem Ende ihres Pauschalurlaubs gemeinsam mit ihrer Tochter nach Hause fliegen. Das Flugzeug war jedoch überbucht und hatte nur noch für eine Person Platz. Der Mitarbeiter am Abfertigungsschalter bot daraufhin zwei Plätze in einer Ersatzmaschine an, mahnte aber zur Eile, da diese bald abfliege. Auf dem Weg zum anderen Abfertigungsschalter stürzte die Frau und zog sich erhebliche Gelenkverletzungen zu (Bundesgerichtshof, Urteil from 11.01.2005, Fn. X ZR 163/02).

Flieht ein Häftling aus einem im ersten Obergeschoss liegenden Fensters und wird er dabei von einem Polizeibeamten verfolgt, so haftet er gemäß § 823 Abs. 1 BGB für die Verletzungen, die der Polizeibeamte aufgrund des Sprungs aus dem Fenster erleidet. Die selbstgefährdende Handlung des Polizeibeamten wird dem Flüchtigen zugerechnet (Bundesgerichtshof, Urteil from 12.03.1996, Fn. VI ZR 12/95).

Beispiel für das Nichtvorliegen eines Herausforderungsfalls

Zwischen einem Pkw und einem Linienbus kam es zu einem Zusammenstoß. Die Busfahrerin bekam von dem Vorfall jedoch nichts mit und fuhr daher im fließenden Stop-and-Go-Verkehr langsam weiter. Der Autofahrer stieg daraufhin aus dem Pkw und lief dem Bus hinterher. Dabei stürzte er auf der regenassen Straße und verletze sich (Amtsgericht Bremen, Urteil from 19.03.2015, Fn. 9 C 556/14).

Diese Rechtsfrage wurde aktualisiert.

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Ein Gedanke zu „Was ist ein Heraus­forderungs­fall?

  • 4. Mai 2017 um 19:42 Uhr
    Permalink

    Gilt das (wie das Notwehrrecht) wieder mal nur unter Männern, oder wird es auch gelten, wenn ich eben den WERT habe, besser tot zu sein als vergewaltigt weiterzuleben (mit oder ohne dass der/die Vergewaltiger wegen des 218 "Vaterrechte" über mich und ein zweites Opfer, die erzwungene Schwangerschaft, haben)?

    Antwort

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